Über 400 Gerettete der SEA-EYE 4 gehen in Pozzallo an Land

Kritik an Italiens Wahl des Ausschiffungshafens

Am Freitag, 21.05.2021, lief das Rettungsschiff SEA-EYE 4 in den Hafen von Pozzallo ein. Kurz darauf durften die ersten der 400 geretteten Menschen, darunter 150 Kinder, das Schiff verlassen. Die Ausschiffung wird begleitet von rassistischen Kommentaren der behördlichen Einsatzkräfte vor Ort.

Einsatzleiter Jan Ribbeck kommentiert die Zustände: „Hier werden keine verhältnismäßigen und menschenwürdigen Maßnahmen ergriffen. Einem 8 Monate alten Baby und Kleinkindern wurden unter Schreien Nasenabstriche abgenommen.

Die Crew hatte bereits am Montag um einen sicheren Hafen gebeten. Erst zwei Tage später am Mittwochabend reagierten die italienischen Behörden und wiesen der SEA-EYE 4 Pozzallo auf Sizilien zu. Zu der Zeit befand sich die SEA-EYE 4 etliche Seemeilen entfernt auf der anderen Seite der Mittelmeerinsel direkt vor dem Hafen von Palermo. Palermos Bürgermeister, Leoluca Orlando, hatte zuvor eine Einladung an die geretteten Menschen und die Crew ausgesprochen, in seinem Hafen an Land zu gehen.

SEA-EYE 4: Gerettete

Durch die Wahl des Ausschiffungshafens Pozzallo mussten sehr viele Menschen zwei weitere Nächte auf den Stahlböden der SEA-EYE 4 schlafen. Die EU-Staaten behandeln Schutzsuchende zunehmend brutaler und schikanieren jene, die ihnen helfen wollen. Es ist einfach entsetzlich, dass spanische Soldaten Geflüchtete zurück ins Wasser prügeln und italienische Abgeordnete das im Kontext unserer Situation feiern, um den gleichen Umgang mit unseren Geretteten vorzuschlagen! Statt Fluchtursachen zu bekämpfen, greifen staatliche Akteure selbst flüchtende Menschen an. Wenn die EU weiter in diese Richtung kippt, dann können wir die Genfer Flüchtlingskonvention endgültig abschreiben“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Gerettete an Bord der SEA-EYE 4

Die Zuweisung des sicheren Hafens erfolgte wenige Stunden nachdem ein junger Mann aufgrund eines schweren Herzleidens durch die italienische Küstenwache von der SEA-EYE 4 evakuiert werden musste. Malta hatte bereits am Dienstag abgelehnt, den geretteten Menschen einen sicheren Hafen zu bieten und ihr Leiden auf See zeitnah zu beenden. Die Menschen brauchen nun ein sicheres Umfeld und Zugang zu medizinischer Versorgung.

Die letzten sieben Tage unserer Rettungsmission haben wieder einmal ganz deutlich das Versagen der EU-Staaten gezeigt. Regelmäßig ertrinken Menschen auf ihrer Flucht und Tausende werden in die Bürgerkriegshölle Libyens zwangsweise zurückgeführt. An die Einhaltung der Menschenrechte scheint in den Regierungen Europas niemand mehr zu denken“, sagt Isler zum Abschluss der Rettungsmission.

SEA-EYE 4: Gerettete

Wir freuen uns, dass die erste Rettungsmission unseres neuen Bündnisschiffes so erfolgreich zu Ende gegangen ist. Während die EU-Staaten flüchtende Menschen im Stich lassen und ihren Tod billigend in Kauf nehmen, hat sich hinter uns die Zivilbevölkerung zusammengeschlossen und rettet so viele Menschen, wie es möglich ist“, sagt Michael Schwickart, stellv. Vorsitzender von United4Rescue.

Wir sind froh, dass die medizinische Versorgung an Bord der Sea-Eye 4 erfolgreich war und sogar ein Notfall beizeiten evakuiert werden konnte. Unser Dank gilt unserem Einsatzarzt Stefan Mees sowie der gesamten Besatzung der Sea-Eye 4 und unseren Partnern von United4Rescue für die erfolgreiche Rettung der über 400 Menschen. Nun, da die Flüchtlinge an Land gehen durften, appellieren wir an die italienischen Behörden, dass sie ihnen Zugang zur weiteren medizinischen und psychologischen Betreuung ermöglichen. Das ist unerlässlich, denn viele der Männer, Frauen und Kinder sind traumatisiert und gesundheitlich stark angegriffen“, sagt Dr. Christine Winkelmann, Vorständin German Doctors e. V.

SEA-EYE 4: Medizinische Evakuierung

Die SEA-EYE 4 hatte vom 14.05. bis 17.05.2021 in sechs Rettungseinsätzen über 400 Menschen aus hochseeuntauglichen Booten gerettet. Der UNHCR berichtete, dass die sogenannte libysche Küstenwache währenddessen insgesamt 650 Menschen davon abgehalten hat, das Bürgerkriegsland Libyen zu verlassen. Frühere Medienberichte zeigen, dass die EU-Staaten diese Zwangsrückführungen durch eigene Einsatzkräfte wie Frontex unterstützen. Die Crew der SEA-EYE 4 hat darauf selbst Hinweise gesammelt. Am 14.05. erreichte die Crew ein verlassenes Boot ohne Menschen, sichtete aber während des Einsatzes ein Frontex-Flugzeug. Und am 17.05. wurde die Crew nur auf ein Boot aufmerksam, weil ein Frontex-Flugzeug unweit der SEA-EYE 4 kreiste, allerdings ohne Sea-Eye direkt über den Seenotfall zu informieren.

Leeres Boot

Ich danke all unseren Partnern, besonders United4Rescue und German Doctors, die diese Rettungsmission möglich gemacht und uns unterstützt haben, über 400 Menschen vor dem Ertrinken zu retten“, so Isler.