Entscheidung der Regensburger Oberbürgermeisterin

Nach öffentlicher Diskussion um die Haushaltsmittel der Stadt Regensburg, die im Haushalt für Sea-Eye beschlossen wurden, gibt es nun Klarheit: Die Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer informierte den Regensburger Stadtrat am Donnerstagabend, dass die Förderung der Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea-Eye e.V. grundsätzlich möglich ist. 

Die vergangenen Wochen der rechtlichen Unsicherheit zu dieser Förderung haben in Regensburg zu einer bemerkenswerten Reaktion der Menschen geführt: Die Regensburger*innen selbst spendeten mehr als 54.000€ und machten damit deutlich, dass das Engagement der vor zehn Jahren in Regensburg gegründeten Seenotrettungsorganisation getragen und breit unterstützt wird. Nun stellte die Bezirksregierung endlich klar, dass eine Unterstützung von Sea-Eye e.V. grundsätzlich möglich ist. Eine Entscheidung, die über die Grenzen der Kommune Regensburg hinaus Bedeutung hat. 

Denn während sich die Politik auf Landes- und Bundesebene weiter ihrer Verantwortung entzieht, übernimmt Regensburg  diese zusammen mit anderen Kommunen ganz konkret.

Während sich die Bundesregierung aus der Förderung der zivilen Seenotrettung zurückzieht, übernimmt unsere Gründungsstadt nun eine aktive Rolle und unterstützt Sea-Eye e.V. ganz konkret. Kommunale Hilfen für Rettungsorganisationen können einen bedeutenden Beitrag zur Bewältigung der humanitären Krise leisten.“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V. 

Neben den gesammelten Spenden aus der erfolgreichen Kampagne, werden nun 30.000 Euro aus dem kommunalen Haushalt direkt dem ehrenamtlichen Engagement des in Regensburg ansässigen Vereins zur Verfügung stehen. Damit werden insbesondere  die Arbeit der  Regensburger Lokalgruppe und der lokalen Strukturen ermöglicht: Bildungs- und Aufklärungsarbeit, Vernetzung, Workshops, Beteiligung an Kulturveranstaltungen und vielfältige Initiativen, die die Situation im Mittelmeer in die Stadtgesellschaft tragen und solidarisches Handeln stärken.

Die Entscheidung der Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer macht deutlich, dass Regensburg sich nicht von Angstpolitik treiben lässt, sondern an der Seite derer steht, die sich für Menschenrechte und Menschenleben einsetzen. Diese Haltung stärkt unsere Arbeit und zeigt, dass Sea-Eye fest in der Regensburger Stadtgesellschaft verankert ist”, sagt Isler weiter. 

Sea-Eye dankt  dankt den engagierten Initiator*innen, den zahlreichen Ehrenamtlichen, kommunalpolitisch Verantwortlichen und ganz besonders der Oberbürgermeisterin für ihre klare Haltung und ihr konkretes politisches Engagement

Die Justice Fleet stellt sich gegen die EU-finanzierte Gewalt auf See

Nach Jahren zunehmender Menschenrechtsverletzungen durch die sogenannte libysche Küstenwache im Mittelmeer, zieht Sea-Eye gemeinsam mit 12 weiteren Seenotrettungsorganisationen eine entschlossene Konsequenz: Wir gründen ein neues Bündnis. Geschlossen stellen wir unsere operative Kommunikation mit der sogenannten Seenotrettungsleitstelle in Tripolis, Libyen, ein. Mit diesem Schritt weisen wir den wachsenden Druck der EU und des Mitgliedsstaats Italien zurück, mit der sogenannten libyschen Küstenwache zu kommunizieren – einer Akteurin, die laut einem neuen Bericht in den vergangenen zehn Jahren über 60 brutale Gewalttaten verübt hat.

Am 5. November 2025 gaben 13 Seenotrettungsorganisationen, darunter auch Sea-Eye, in Brüssel die Gründung der Justice Fleet bekannt – gemeinsam mit dem European Center for Constitutional and Human Rights und der Organisation Refugees in Libya. Wir wollen Menschenrechte und das internationale Seerecht konsequent wahren. Deshalb stellen wir uns gegen den Zwang europäischer Staaten, mit gewalttätigen Akteuren auf See zu kommunizieren. Als rechtlich fundierte Reaktion hat das Bündnis beschlossen, die operative Kommunikation mit der Seenotrettungsleitstelle Libyens zu beenden.

Anna di Bari, Vorständin von Sea-Eye, betont: “Die Justice Fleet zeigt, dass mit uns zu rechnen ist. Während eine Legitimierung von Menschenrechtsverletzungen durch die EU und ihre Mitgliedsstaaten stattfindet, setzen wir dem etwas entgegen. Wir sind handlungsfähig – besonders auf dem Wasser. Wir kommunizieren nicht mit denen, die auf Schutzsuchende und NGOs schießen und Sicherheit massiv angreifen.

Die Justice Fleet bündelt rechtliche, politische und öffentliche Strategien. Sie verteidigt Schutzsuchende sowie Seenotrettungsoperationen gegen illegale Push- und Pullbacks sowie staatliche Repression. Abschiebungen nach Libyen verstoßen auf See gegen internationales Recht. Das wurde wiederholt von zahlreichen Europäischen Gerichten – in Italien bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – bestätigt. Auf der neu veröffentlichten Website ist eine umfassende Übersicht zu extremen Gewalttaten der sogenannten libyschen Küstenwache sowie die erste Zusammenstellung gewonnener Gerichtsverfahren von Seenotrettungsorganisationen seit 2023 zu finden.

Alle Bündnispartner aus Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien: CompassCollective, Louise Michel, Mediterranea Saving Humans, Mission Lifeline, Pilotes Volontaires, RESQSHIP, r42 – sail and rescue, Sea-Eye, Sea Punks, Sea-Watch, Salvamenti Maritimo Humanitario, SOS-Humanity and TOM

Gerettete müssen trotz kritischem Gesundheitszustand tagelang auf Ausschiffung warten – Sea-Eye kritisiert unmenschliche Hafenpolitik Italiens

Am Freitagabend erreichte die Crew der SEA-EYE 5 ein Notruf von Alarm Phone,  einer zivilen Notrufnummer um Unterstützung und Rettung zu organisieren. Gegen 3:30 Uhr morgens konnten sie das Holzboot nach langer Suche in der Dunkelheit schließlich lokalisieren. Zu diesem Zeitpunkt drang bereits Wasser in das überfüllte Boot.

Am frühen Samstagmorgen konnte die Besatzung des Rettungsschiffs SEA-EYE 5 alle 57 Menschen aus akuter Seenot retten und sicher an Bord bringen. Die Schutzsuchenden waren bereits seit mehreren Tagen auf offener See, ohne Nahrung und Wasser. Medizinische Versorgung war notwendig und die Lage an Bord wurde durch schlechte Wetterbedingungen zusätzlich erschwert. Trotzdem wiesen die italienischen Behörden der SEA-EYE 5 den weit entfernten sicheren Hafen von Crotone zu.

Die medizinische Situation nach der nächtlichen Rettung war sehr kritisch. Die 57 Personen waren tagelang unterwegs, ohne Essen und Trinken. Viele waren dehydriert, litten an sogenannten Fuel Burns – chemischen Verbrennungen durch eine Mischung aus Benzin und Salzwasser – und unter extremer Seekrankheit. Trotz sofortiger Behandlung blieb ihr Zustand kritisch. Aus medizinischer Sicht war die Situation lebensbedrohlich,“ hebt  Dr. Christin Linderkamp von German Doctors hervor, die die medizinische Versorgung auf der SEA-EYE 5 leitet.

Aufgrund der kritischen Lage an Bord, hat die Crew zweimal bei den italienischen Behörden die Zuweisung eines näheren sicheren Hafen angefragt –  beide Anträge wurden abgelehnt und die Menschen an Bord mussten weitere 50 Stunden Fahrt ausharren, in denen sie unnötig lange weiteren körperlichen und mentalen Strapazen ausgesetzt waren. 

Gestern Morgen konnten schließlich alle 57 geretteten Personen sicher in Crotone an Land gehen. Von einem Happy End ist jedoch nicht zu sprechen, wie Kai Echelmeyer, Deck Manager der aktuellen Mission auf der SEA-EYE 5 und Vorstandsmitglied von Sea-Eye betont:

Nach einer unnötig langen und riskanten Fahrt zu einem weit entfernten Hafen wurden wir bei unserer Ankunft von Frontex und der Küstenwache mit offener Ablehnung empfangen. Für uns ist es unerträglich zu sehen, dass Menschen, die gerade vor dem Ertrinken gerettet wurden, in Europa auf Misstrauen und Kälte stoßen. Auch wenn wir dankbar sind, sie in Sicherheit gebracht zu haben, bleibt das Gefühl, sie in ein feindseliges Umfeld übergeben zu müssen. Dieser Umgang mit Schutzsuchenden ist zutiefst unmenschlich.”

Sea-Eye kritisiert erneut die Praxis europäischer Behörden, zivilen Rettungsschiffen weit entfernte Häfen zuzuweisen. Diese Verzögerungen gefährden das Leben der Geretteten und stellen eine zusätzliche Belastung für Crews und medizinisches Personal dar.