Erneute Geldbuße und Verwaltungshaft für die SEA-EYE 4 in Salerno

Nach der Rettung von 114 Menschenleben wurde die SEA-EYE 4 am gestrigen Dienstagabend erneut in Italien festgesetzt. Das Schiff darf den Hafen von Salerno nun für 20 Tage nicht verlassen. Die italienischen Behörden haben außerdem eine Geldbuße in Höhe von 3.333 Euro verhängt. Den Seenotretter*innen von Sea-Eye wird ein wiederholter Verstoß gegen ein neues italienisches Gesetz vorgeworfen, das im Feburar 2023 in Kraft getreten ist.

“Uns wird erneut vorgeworfen, dass wir mehr als eine Rettungsoperationen durchgeführt haben. Hätten wir das nicht getan, wären Menschen ums Leben gekommen”, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.

Die 114 Menschen, die gestern endlich an Land gehen konnten, waren vom 17. bis 19. August in drei aufeinanderfolgenden Einsätzen in der libyschen und der maltesischen Such- und Rettungszone geborgen worden. Einige von ihnen hatten bereits fünf Tage auf dem Meer verbracht.

Am schwersten betroffen waren die Personen im dritten Boot. Vier Patienten waren tief bewusstlos und mussten sofort medizinisch versorgt werden. Zwei von ihnen hatten nach 5-6 Tagen auf hoher See einen schweren Flüssigkeitsmangel erlitten, ein Patient eine ausgeprägte Unterzuckerung – und ein Patient einen Hitzschlag“, berichtet Hannes Petzold, German Doctor und Schiffsarzt an Bord der SEA-EYE 3.

Es ist bereits die zweite Festsetzung für die SEA-EYE 4 in diesem Jahr und auch andere Organisationen sind von der repressiven Politik Italiens betroffen: Das spanische Rettungsschiff OPEN ARMS der gleichnamigen Hilfsorganisation wurde am Dienstagmorgen festgesetzt. Die AURORA von Sea-Watch wurde am Montag in Verwaltungshaft genommen. Die Vorwürfe lauten immer wieder gleich: Verstoß gegen das Piantedosi-Gesetz vom 24. Februar 2023. Inzwischen sind im laufenden Jahr bereits mehr als 2.100 Menschen bei dem Versuch ums Leben gekommen, das Mittelmeer zu überqueren, um in Europa Schutz zu suchen.

“Man muss sich vor Augen führen, dass dieses Gesetz allein für die Seenotrettungsorganisationen geschrieben wurde. Es steht im Widerspruch zum Völkerrecht, das einen Kapitän dazu verpflichtet, Menschen in Seenot zur Hilfe zu kommen. Italiens Gesetzgeber hat eine Situation konstruiert, in der rechtskonformes und menschliches Handeln bestraft wird”, sagt Gorden Isler.

Seenotrettungsorganisationen wie Sea-Eye werden somit immer wieder in die Situation kommen, entscheiden zu müssen, ob sie ihre Schiffe behalten und nach dem ersten Rettungseinsatz umkehren, oder ob sie niemanden zum Sterben zurück lassen und damit die Festsetzungen ihrer Schiffe in Kauf nehmen wollen.

“Die Verantwortlichen von Sea-Eye, Sea-Watch und Open Arms haben sich in dieser Woche dazu entschieden, den Schutz des Lebens über ihre Schiffe zu stellen. Italien bestraft dieses Verhalten nun und gefährdet das Leben vieler Menschen, die dem Meer schutzlos ausgeliefert bleiben”, so Isler weiter.

Sea-Eye wird auch gegen die erneute Festsetzung Klage einreichen. Über die zuvor eingereichte Klage gegen die Festsetzung der SEA-EYE 4 in Ortona ist noch keine Entscheidung getroffen worden.

Sea-Eye fordert europäische Marine Operation zur Rettung von Menschenleben

Innerhalb der vergangenen 72 Stunden konnte die Besatzung der SEA-EYE 4 insgesamt 114 Menschen aus drei hochseeuntauglichen Kunststoffbooten retten. Alle Rettungen fanden in internationalen Gewässern zwischen Malta und Kreta statt. Alle Überlebenden gaben an, dass sie bis zu fünf Tage unterwegs waren und aus der libyschen Region um Bengasi flohen.

Bemerkt wurde der erste Seenotfall, weil es der Crew des Rettungsschiffes GEO BARENTS von Ärzte ohne Grenzen gelang, den Funkverkehr zwischen Fischerbooten und Handelsschiffen abzuhören. Durch das Aussenden des Notrufs MAYDAY RELAY informierte die weiter entfernte GEO BARENTS die europäischen Rettungsleitstellen und die SEA-EYE 4, die sich zu diesem Zeitpunkt in dem Seegebiet zwischen Malta und Kreta aufhielt. Der zweite Seenotfall wurde durch das Alarmphone an die staatlichen Rettungsleitstellen und die SEA-EYE 4 gemeldet. Von dem dritten Seenotfall erlangte die SEA-EYE 4 durch das Mithören von Funkverkehr Kenntnis.

Die Überlebenden des dritten Seenotfalls waren in besonders schlechter medizinischer Verfassung. Vier Personen waren bewusstlos. Eine Person war laut Berichten der Überlebenden bereits länger als einen Tag nicht ansprechbar. Das gemeinsame medizinische Team von Sea-Eye und German Doctors hat inzwischen alle vier Personen im Bordhospital akutmedizinisch versorgt und stabilisiert.

Die Menschen waren Meer und Sonne mehrere Tage schutzlos ausgeliefert. Dehydrierung, Hitze und tagelang unbehandelte Vorerkrankungen wie Diabetes können dann schnell zu einer lebensgefährlichen Situation führen. Die Menschen hatten großes Glück, dass sie von unserer Crew gefunden worden sind und nun in unserem Bordhospital versorgt werden“, sagte Jan Ribbeck, der Einsatzleiter von Sea-Eye e.V.

Bereits am Freitagabend bat die SEA-EYE 4 die primär zuständige Rettungsleitstelle auf Malta um Koordinierung und Zuweisung eines Hafens zur Ausschiffung. Am Samstagnachmittag wiederholte das Schiff diese Bitte, weil die SEA-EYE 4 weiterhin in der maltesischen Such- und Rettungszone operierte und Seenotfälle in diesem Seegebiet von Malta koordiniert werden müssen. Eine Antwort aus der maltesischen Rettungsleitstelle steht derzeit noch aus.

Das Seegebiet zwischen Malta und Kreta ist besonders gefährlich für schutzsuchende Menschen. Sie sind oft viele Tage auf See unterwegs. Was dann passieren kann, zeigte uns das große Unglück vor Pylos vom 14. Juni 2023, bei dem viele hundert Menschen ertrunken sind“, sagte Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.

Die Einsatzleitung von Sea-Eye e.V. entschied deshalb bewusst, dass die SEA-EYE 4 auf ihrer dritten Mission des Jahres in genau diesem Seegebiet eingesetzt werden soll.

Man muss sich immer wieder klarmachen, dass wir hier eine Lücke füllen, die von staatlichen Akteuren bewusst offengelassen wird, um die Zahl der Ankünfte von Flüchtenden in Europa zu reduzieren. Es braucht hier sofort ein Umdenken, denn die Zahl der Todesopfer steigt und steigt. Es braucht eine groß angelegte Marine Operation der EU, die das eindeutige Mandat hat, so viele Menschenleben zu retten wie nur möglich“, sagt Isler weiter. Die SEA-EYE 4 hält derzeit Kurs auf Malta.

Mehr als 2.000 Menschen sind in 2023 im Mittelmeer ums Leben gekommen

Am Samstagmorgen (12.08.2023) hat die SEA-EYE 4 den spanischen Hafen von Burriana verlassen, um in den dritten Einsatz des Jahres aufzubrechen. Die italienischen Behörden verhinderten einen früheren Einsatz durch eine Festsetzung des Rettungsschiffs im Juni. Die Crew der SEA-EYE 4 hatte im Mai in zwei Seenotfällen zuletzt 49 Menschenleben gerettet. Aufgrund der zweiten Rettung setzte Italien das Rettungsschiff mit der Begründung vorübergehend fest, dass Sea-Eye gegen ein neues Gesetz verstoßen habe, das seit Februar 2023 in Italien gilt. Sea-Eye hatte gegen die Entscheidung im Juni Klage eingereicht und das Schiff nach Ende der Festsetzung ins spanische Burriana überführt.

Die Mission wird durch eine wiederholte Förderung der Deutschen Postcode Lotterie ermöglicht. Insgesamt erhält Sea-Eye für die Durchführung der Mission 250.000 €.

Wir sind dem gesamten Team der Deutschen Postcode Lotterie überaus dankbar für die anhaltende und substanzielle Unterstützung. Denn auch, wenn die Spendenbereitschaft wieder grundsätzlich zunimmt, reichen die Spenden insgesamt noch nicht aus. Deshalb sind weiterhin alle Einsätze der SEA-EYE 4 gefährdet“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Die Flucht über das Mittelmeer ist gefährlicher und tödlicher geworden. Insgesamt haben im laufenden Jahr bereits mehr als 2.000 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer ihr Leben verloren. Damit sind in 2023 bereits mehr Menschen ertrunken als im ganzen Jahr 2021.

Die EU-Mitgliedsstaaten haben zugelassen, dass die gemeinsamen Außengrenzen immer gefährlicher und tödlicher geworden sind. Das hat vor allem mit der Abschottungspolitik und der Abwesenheit von staatlichen Rettungsschiffen zu tun. Diese Lücke können zivile Akteure allein nicht schließen. Es braucht sofort mehr Schiffe, um die Zahl der Todesopfer zu reduzieren. So schnell können aber nur staatliche Akteure Schiffe bereitstellen“, sagt Isler weiter.

Die Crew der SEA-EYE 4 wird auf dem Weg in das Einsatzgebiet mehrere Trainings durchführen und voraussichtlich am Ende der Woche die libysche Such- und Rettungszone erreichen.

SEA-EYE 4

Klage gegen italienisches Verkehrsministerium am Zivilgericht von Chieti

Die deutsche Seenotrettungsorganisation Sea-Eye reichte am 30. Juni beim Zivilgericht von Chieti Klage gegen die zwanzigtägige Verwaltungshaft der SEA-EYE 4 in Ortona und die damit verbundene Geldstrafe in Höhe von 3.333 € ein.

Nach der Rettung von 49 Menschenleben aus zwei unterschiedlichen Notrufen wurde das Rettungsschiff SEA-EYE 4 am 02.06.2023 von den italienischen Behörden für 20 Tage festgesetzt. Begründet wurde die Festsetzung mit einem Verstoß gegen ein am 24.02.2023 in Kraft getretenes italienisches Gesetz. So hätte die SEA-EYE 4 nach der ersten Rettung mit 17 geretteten Personen unverzüglich nach Ortona fahren sollen. Weitere Notrufe führten jedoch dazu, dass das Schiff seine Anfahrt auf Ortona unterbrechen musste, um nach Menschen in Seenot zu suchen. Die Besatzung des Schiffes rettete so 32 weitere Menschenleben und erreichte den Hafen von Ortona dennoch rechtzeitig.

Die italienischen Behörden nutzten das neue Gesetz bereits für die Festsetzung mehrerer deutscher Rettungsschiffe, nachdem die Schiffe entweder mehrere Rettungen durchführten oder näher gelegene, italienische Häfen anliefen, statt mehrtägige Anfahrten auf weit entfernte Seehäfen durchzuführen. Die Organisation Sea-Eye bat das Auswärtige Amt am 04.06.2023 aufgrund der Festsetzung der SEA-EYE 4 am 02.06.2023 formell um Unterstützung. Eine Intervention der deutschen Behörden blieb jedoch ergebnislos. Aus Rom teilte man dem Auswärtigen Amt lediglich mit, dass die „Intervention zur Kenntnis genommen wurde“, schrieb eine Ansprechperson des Auswärtigen Amtes der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye.

Man muss sich klarmachen, dass dieses Gesetz explizit für Seenotrettungsorganisationen geschrieben worden ist. Es beinhaltet von Verstoß zu Verstoß eskalierende Strafen und könnte die zivile Seenotrettung zum Stillstand bringen“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Die SEA-EYE 4 konnte ihren dritten Einsatz in 2023 aufgrund der Festsetzung nicht wie geplant durchführen. Das Schiff wird nun im spanischen Burriana auf den nächsten Einsatz vorbereitet. Wird die SEA-EYE 4 ein weiteres Mal wegen eines Verstoßes gegen das neue Gesetz festgesetzt, drohen der Organisation eine Geldstrafe von bis zu 50.000 € und eine Festsetzung von bis zu sechs Monaten.

Im Falle weiterer Notrufe werden wir so in ein moralisches Dilemma gezwungen. Führen wir eine zweite Rettung durch, riskieren wir die Festsetzung des Schiffes. Lassen wir Menschen aus irgendwelchen Gründen zurück, agieren wir genau wie die staatlichen Akteure selbst. Sea-Eye wird jedoch niemals Menschen zurücklassen“, sagt Isler weiter.

Droht das Ende der zivilen Seenotrettung?

Anne Daetz, aus dem Sea-Eye Legal Team, gibt in der Sea-Eye Academy eine juristische Einordnung der italienischen Abschottungspolitik.

Zur Veranstaltung

SEA-EYE 4

Einsätze der SEA-EYE 4 in zweiter Jahreshälfte gefährdet

Auf Initiative der Seebrücke Frankfurt hat die Stadt am 21.06.2023 beschlossen, die Rettungseinsätze der SEA-EYE 4 im Mittelmeer mit 20.000 Euro zu fördern. 2021 war Frankfurt dem Bündnis „Städte Sichere Häfen“ beigetreten. Die Seebrücke Frankfurt sah damit auch die Stadt in der Pflicht, Taten folgen zu lassen und Rettungseinsätze aktiv zu unterstützen. Der Sprecher der Seebrücke Frankfurt, Andreas Werther, zeigte sich der Frankfurter Rundschau gegenüber enttäuscht und hätte sich angesichts von 2,6 Milliarden Euro Gewerbesteuer, die die Stadt im vergangenen Jahr eingenommen hätte, eine höhere Fördersumme gewünscht.

Die Spendeneinnahmen der ersten Jahreshälfte reichen nicht aus, um die Rettungseinsätze der SEA-EYE 4 im zweiten Halbjahr vollständig zu finanzieren. Deshalb sind alle geplanten Einsätze gefährdet und können nur mit ausreichender finanzieller Unterstützung stattfinden. Die Festsetzung der SEA-EYE 4 in Ortona durch die italienischen Behörden führte bereits zur Absage der dritten Mission des Jahres.

Angesichts tausender verlorener Menschenleben im Mittelmeer, muss man sich klarmachen, dass die Seenotrettung im Mittelmeer noch viel stärker unterstützt werden muss. Deshalb sind wir den Menschen von Frankfurt dafür dankbar, dass sie politischen Worten konkrete Taten folgen lassen“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Immer wieder erschüttern uns die Nachrichten über gekenterte Boote im Mittelmeer mit hunderten Geflüchteten an Bord. Das zeigt, wie dringlich das Thema Seenotrettung auf allen Ebenen sein müsste. Allerdings wird die weitere Abschottung der EU, die durch die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems voranschreitet, wohl eher weiteres Leid auslösen und die Entrechtung von Geflüchteten verschärfen, statt solche Dramen zu verhindern. Die zivile Seenotrettung hat sich zum Ziel gesetzt, das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden und so viele Leben wie möglich zu retten. Dies wollen wir als Stadt Frankfurt mit unserem Etatantrag unterstützen“, sagt Tina Zapf-Rodríguez, Fraktionsvorsitzende und Geschäftsführerin von Die Grünen im Römer.

World Refugee Day 2023

Listen to refugees, not only today!

Together with ‚Refugees in Libya‘ we would like to share two testimonies of refugees in Libya with you so that you can get a small glimpse of the inhumane conditions refugees face in Libya everyday.

TESTIMONY 1

This woman, Habiba, a mother of four, is sleeping under a tree on the road near the Office of the UNHCR Tripoli al-Sarraj.

Ben London (co-founder of ‚Refugees in Libya‘): Hello sweetheart, you said you don’t have a home and right now you’re sleeping under the tree here near the UNHCR office. Where is your husband and what is your story?

Habiba: My husband has a broken hand, he can’t work, and you know the situation in Libya when you lose a limb or it breaks and you have a family. We don’t have a house and we don’t even have anything to eat or drink, honestly we are very tired now in the middle of the day and my children haven’t eaten anything yet, either the UNHCR go and stand in front of the door, we are evicted and no one hears us sometimes they give us numbers, tell us call here or send messages, I mean send your order here. Some of us don’t know how to use the phone, sometimes you call, but no one answers.

Woman with child

Ben London: Now you have been here for a week. What have the people of UNHCR told you?

Habiba: When I tried to talk to them, they didn’t tell me anything. They just gave me an appointment for 7 July 2023.

Ben London: Are you new here?

Habiba: No, it has been two years since my registration with the UNHCR, but the agency has not done anything for us, yet.


TESTIMONY 2

This man with a broken leg lives on the street near UNHCR office in Tripoli Sarraj neighborhood

Ben London: You are sleeping here outside the UNHCR office. What’s your story?

Man: I’m a refugee with a broken leg. I live on the street, registered with UNHCR since 2021. I have not found any help from UNHCR since then.

I need surgery for my leg and I need shelter. I did not get a response or the simplest human rights. There is no food or water and I am very tired. In general, I want to have an urgent operation and treatments. Because we are poor, we need help and we need attention because we are sleeping on worn mattresses and on the floor.

Man with brocken leg

Both testimonies were translated from Arabic to English.


We thank ‚Refugees in Libya‘ for collecting the testimonies and sharing them with us. We would also like to point out the demands of ‚Refugees in Libya‘ here.

🟠 Evacuation of Refugees from Libya and Tunisia to safe countries

🟠 Freedom and evacuation of the 250 refugees, who are still imprisoned in Ain Zara detention camp in Libya since the mass protests in 2021

🟠 Fair treatment by UNHCR for all refugees in Libya and other North African countries

🟠 Put an end to the financing of the so-called Libyan Coast Guard and detention camps by the EU and European countries

🟠 Justice for those who have been murdered, tortured or arbitrarily detained

🟠 Libya should sign the 1951 Geneva Refugee Convention

🟠 Recognition of ‚Refugees in Libya‘ as an organisation to represent these demands and to have regular talks with UNHCR and other institutions.

Erneut wurde gemeldet, dass ein Boot mit bis zu 400 Flüchtenden an Bord vor der griechischen Küste gesunken ist. Bisher sind 78 Menschen tot geborgen und 104 gerettet worden. Bei den restlichen Menschen muss vom Schlimmsten ausgegangen werden.

Der Seenotfall war laut Medienberichten bereits am Vortag von einem Frontex-Flugzeug gefunden worden. Dennoch kam die Hilfe für dutzende Menschen viel zu spät. Wieder einmal zeigt sich, dass Frontex schutzsuchende Menschen an der EU-Außengrenze aufhalten soll und nicht für den Schutz von Menschenleben da ist.

Ertrunken sind diese Menschen, die aus dem Bürgerkriegsland Libyen geflohen sind, in einer Zeit, wo die EU-Politik ihre Abschottung massiv verstärkt und Italien drei Rettungsschiffe festgesetzt hält, darunter die SEA-EYE 4. Seit Jahren fordert Sea-Eye, das Menschenrecht auf Leben und das Asylrecht zu achten. Dafür ist unabdingbar, dass endlich sichere Fluchtrouten eingerichtet werden.

SEA-EYE 4

Seenotretter*innen warnen vor Festsetzung aller Rettungsschiffe

Am Sonntagnachmittag wandte sich die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye an die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und das Auswärtige Amt mit der eindringlichen Bitte um Hilfe. Zuvor hatten die italienischen Behörden die deutschen Rettungsschiffe SEA-EYE 4 von Sea-Eye e. V. und MARE*GO von Zusammenland gUG festgesetzt.

Beide Schiffe retteten in der vergangenen Woche insgesamt 86 schutzsuchende Menschen aus seeuntüchtigen Booten. In beiden Fällen wurden die Schiffe jeweils mit 20 Tagen Verwaltungshaft bestraft. Der SEA-EYE 4 wird vorgeworfen, die Anfahrt zum von den italienischen Behörden zugewiesenen Ausschiffungshafen Ortona unterbrochen zu haben, um weitere Menschen aus Seenot zu retten, statt den Kurs wie gefordert beizubehalten.

Wir können keine Notrufe ignorieren. Deshalb haben wir den Kurs geändert“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Bei Wiederholung drohen den Seenotretter*innen nun noch härtere Strafen. Sollte die SEA-EYE 4 auf einer zukünftigen Mission erneut weitere Rettungen durchführen, obwohl die italienische Rettungsleitstelle bereits einen Ausschiffungshafen zugewiesen hat, so können hohe Bußgelder und eine weitere Festsetzung für bis zu sechs Monate verhängt werden. Bei einer weiteren Wiederholung soll ein Rettungsschiff nach dem neuen italienischen Gesetz vom 24.02.2023 dann sogar unbefristet festgesetzt werden können.

Dieses Gesetz könnte die zivile Seenotrettung vollständig lahmlegen, wenn die italienischen Behörden es weiter so anwenden. Denn schließlich werden wir keine Notrufe ignorieren, um Festsetzungen zu verhindern. Uns vor diese Wahl zu stellen, ist menschenverachtend und verantwortungslos“, sagt Isler weiter.

In einer Nachricht an Bundesaußenministerin Baerbock und das Auswärtige Amt bat Sea-Eye darum, sich dafür einzusetzen, dass

1. zivile Rettungsschiffe nicht dafür festgesetzt werden dürfen, dass sie mehrere Rettungseinsätze durchgeführt haben,

2. die Festsetzungen der SEA-EYE 4 und der MARE*GO aufgehoben werden und von Bußgeldern abgesehen wird,

3. die zivilen Rettungsschiffe von italienischen und maltesischen Behörden optimal eingesetzt werden, um möglichst viele Menschenleben zu retten,

4. die durch Spenden finanzierten Ressourcen ziviler Seenotrettungsorganisationen nicht vergeudet werden, indem die Schiffe in weitentfernte Häfen geschickt werden, um deren Einsatzzeit in der libyschen und maltesischen Such- und Rettungszone zu reduzieren und

5. die maltesische Rettungsleitstelle ihre Koordinierungspflichten für flüchtende Menschen in Seenot wieder wahrnehmen muss, um weitere Todesopfer zu vermeiden.

Wir haben nun einen Zeitpunkt erreicht, an dem noch verhindert werden kann, dass in wenigen Monaten alle zivilen Rettungsschiffe wegen zu vieler Rettungseinsätze längerfristig festgesetzt worden sind“, heißt es abschließend in der Nachricht an das Auswärtige Amt.

Sea-Eye wird Rechtsmittel gegen den Festsetzungsbescheid einlegen. Dazu hat die Organisation 60 Tage Zeit. Eine zeitnahe Entscheidung ist jedoch unwahrscheinlich, da Verfahren vor italienischen Verwaltungsgerichten aufwendig und langwierig sind.

Italienische Küstenwache bestraft SEA-EYE 4 mit 20 Tagen Verwaltungshaft für die Rettung von 32 Menschenleben

Am Freitagabend erklärte die italienische Küstenwache gegenüber der italienischen Presse, dass die deutschen Seenotrettungsschiffe SEA-EYE 4 und MARE*GO für 20 Tage festgesetzt worden sind. Kurze Zeit später wurde auch Sea-Eye mit einem Verweis auf ein neues italienisches Gesetz vom 24.02.2023 darüber informiert, dass die SEA-EYE 4 für 20 Tagen in Ortona festgesetzt wird, weil sie in einem Rettungseinsatz 32 Menschenleben gerettet hat.

Laut italienischer Küstenwache wird die Festsetzung damit begründet, dass das Schiff nach der Rettung von 17 Menschen in der libyschen Such- und Rettungszone 32 weitere Menschen in der maltesischen Such- und Rettungszone rettete und nicht so schnell wie möglich den Hafen von Ortona angefahren habe. Die SEA-EYE 4 brach die Anfahrt auf Ortona am Dienstagabend ab und wendete, weil es einen Notruf von einem Boot mit über 400 Menschen in der maltesischen Such- und Rettungszone gab. Das Boot wurde schließlich vom zivilen Suchflugzeug SEABIRD gesichtet. Die Betreiberorganisation Sea-Watch berichtete auf Twitter darüber. Da kein staatlicher Akteur die Koordinierung des Seenotfalls bestätigte und Malta seit vielen Monaten keine Seenotfälle von schutzsuchenden Personen in der maltesischen Such- und Rettungszone koordiniert, war der zusätzliche Rettungseinsatz für Sea-Eye alternativlos.

Holzboot

Auf der Suche nach den 400 Menschen erhielt die SEA-EYE 4 den Notruf eines Segelbootes, das 32 Menschen auf einem seeuntüchtigen Boot entdeckt hatte. Das Sea-Eye Rettungsschiff brachte die Menschen darauf an Bord in Sicherheit.

In der Nacht zum Mittwoch suchte die SEA-EYE 4 weiter nach den 400 Menschen, die die italienische Such- und Rettungszone schließlich aus eigener Kraft erreichten und erst dort, kurz vor Sizilien, von der italienischen Küstenwache gerettet worden sind.

Es ist deshalb falsch, dass die italienische Küstenwache behauptet, dass bereits ein Patrouillenboot unterwegs gewesen sei. Die Menschen mussten erst aus eigener Kraft die italienische Such- und Rettungszone erreichen, um dort Hilfe zu erhalten. Uns nun dafür zu bestrafen, dass wir uns an internationale Gesetze halten, wird allein mit dem neuen italienischen Gesetz begründet, das dazu dient, zivile Rettungsschiffe schnell aus dem Einsatzgebiet zu entfernen und weit entfernte Häfen anfahren zu lassen, um die Ankünfte von schutzsuchenden Menschen so weit wie möglich zu reduzieren“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.

Holzboot

Die Festsetzung der SEA-EYE 4 verhindert nun einen weiteren Rettungseinsatz des Schiffes, obwohl das laufende Jahr tödlicher und gefährlicher für schutzsuchende Menschen ist, als die vergangenen fünf Jahre zuvor.

Die neue Strategie Italiens ist perfide und durchsichtig. Die langen Anfahrten zu zugewiesenen, weit entfernten Häfen werden immer wieder dazu führen, dass wir auf dem Weg dorthin entscheiden müssen, ob wir auf weitere Notrufe reagieren. Natürlich tun wir das und das führt dann zu dem Vorwurf, dass wir italienische Gesetze brechen. Auch wenn diese Gesetze erst wenige Monate alt sind, erzeugt dies den öffentlichen Eindruck, dass unser Verhalten illegal sei. Es ist ein weiterer, verwerflicher Versuch, die Seenotrettung und die Flucht selbst zu kriminalisieren, um immer brutaleres, staatliches Agieren zu rechtfertigen“, sagt Isler weiter.

Befürchtete Strafe bisher ausgeblieben

Am Freitagvormittag legte das Rettungsschiff SEA-EYE 4 im Hafen von Ortona an und die 49 sich an Bord befindlichen geflüchteten Menschen konnten an Land gehen. Die Crew hatte am vergangenen Sonntag 17 Personen und am Mittwoch 32 Personen aus seeuntüchtigen Holzbooten gerettet.

Da die italienischen Behörden im Februar bereits ein Rettungsschiff festsetzten und eine Geldstrafe verhängten, weil das Schiff mehrere Rettungen durchgeführt hatte, ist Sea-Eye in Sorge, dass auch die SEA-EYE 4 festgesetzt und eine Strafzahlung verhängt werden könnte. Bisher haben die Behörden keine Maßnahmen dahingehend angekündigt, allerdings können auch noch viele Wochen später Strafen verhängt werden. 

Abschied in Ortona

Unsere Crew und die geflüchteten Menschen wurden von den örtlichen Behörden freundlich empfangen, wofür wir sehr dankbar sind. Aber auch wenn wir heute die staatliche Repression nicht unmittelbar spürten, ist es doch unerträglich, dass sich Seenotretter*innen stets der Gefahr ausgeliefert sehen, kriminalisiert und bestraft zu werden”, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.