Wir vermissen dich, Wolli!

Noch wenige Tage vor dem 8. Oktober haben wir uns wegen des Gottesdienstes zum „Tag des Flüchtlings“ gemailt. Du wolltest kommen, hast du geschrieben, wenn du es nach der Arbeit schaffst. So warst du. Immer da, niemals ein Nein. Du hast dich aus tiefstem Herzen für die geflüchteten Menschen eingesetzt. Unbesehen ihrer Gründe, unbesehen ihrer Hautfarbe, unbesehen ihrer Herkunft, Meinung, Religion oder was sonst so gerne zu ihrer Ablehnung angeführt wird.

Für dich zählte das menschliche Leben per se. Ohne deine zielstrebige und in sich ruhende Beharrlichkeit wäre München heute wahrscheinlich noch immer kein sicherer Hafen. Ich selbst habe damals, vor Jahren, nicht geglaubt, dass das möglich wird. Du hast dich nicht beirren lassen. Statt Worte zu machen, hast du gehandelt. Du warst aktiv bei Alarm Phone. Du warst die treibende Kraft bei der Seebrücke München und hast über Vereinsgrenzen hinaus kooperiert, weil es dir um die Sache ging. Niemals habe ich dich über jemanden schlecht reden hören. Bei dir war alles, was wir vorbereiteten in zuverlässigen Händen.

Als wir in unserer Sea-Eye Lokalgruppe München von deinem völlig unerwarteten Tod erfahren haben, war es für uns, für mich, als ob das nicht wahr sein könnte.  Mir persönlich fällt es bis heute schwer, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dich in diesem Leben niemals wieder zu sehen, dich bei unserem gemeinsamen Eintreten für Menschenrechte nicht mehr an der Seite zu haben. Du bist nicht zu ersetzen, Wolli. Du hinterlässt eine große Lücke in der Gemeinschaft der SeenotretterInnen.

Wir vermissen dich als den integren Menschen, als den Aktivisten, als den motivierenden, hilfsbereiten Unterstützer. Wir vermissen dich sehr, sehr, sehr! Hab‘ es gut, dort wo du jetzt bist.

Iris und die Sea-Eye e. V. Lokalgruppe München

SEA-EYE 4 erreicht Trapani voraussichtlich am Sonntagnachmittag

Am Samstagabend teilte die italienische Küstenwache der Schiffsführung der SEA-EYE 4 mit, dass die italienischen Behörden Trapani als Ausschiffungshafen für die über 800 Geretteten bestimmt haben. Das Auswärtige Amt bestätigte die Zuweisung wenige Minuten später.

Die SEA-EYE 4 wird den Hafen von Trapani voraussichtlich am Sonntagnachmittag erreichen. Bis dahin verbringen die Geretteten die dritte Nacht an Bord des Schiffes. Einige von ihnen verbringen bereits die fünfte Nacht an Bord. Das Wetter verschlechterte sich in den vergangenen Stunden zusehends. Die italienische Küstenwache gestatte der SEA-EYE 4 zuvor sich der Küste zu nähern, um Schutz vor Wind und Wetter zu finden.

In der Zeit von Dienstag bis Donnerstag retteten die Schiffe SEA-EYE 4 von Sea-Eye e. V. und RISE ABOVE von Mission Lifeline e. V. in 7 gemeinsamen Einsätzen über 800 Menschenleben innerhalb von 48 Stunden. Sea-Eye wird an Bord von der Bonner Organisation German Doctors e. V. mit einer Bordärztin und finanzieller Unterstützung für den Hospitalbetrieb unterstützt.

SEA-EYE 4
© Hermine Poschmann & Mission Lifeline

Unsere Einsatzärztin Daniela Klein und die gesamte Crew haben in den letzten Tagen Unvorstellbares geleistet – über 800 gerettete Menschen haben nicht nur das Schiff selber, sondern alle an Bord an die Grenze der Belastbarkeit gebracht. Es ist zwingend notwendig, dass die Geretteten an Land medizinisch versorgt werden können. Deswegen sind wir unglaublich erleichtert, dass die SEA-EYE 4 nun einen sicheren Hafen ansteuern kann und die Menschen nach vielen Tagen der Ungewissheit in Sicherheit gebracht werden“, äußert sich Dr. Harald Kischlat, Vorstand German Doctors e. V.

Wir sind erleichtert und überglücklich, dass die schwierigen Stunden für unsere Besatzung und die geretteten Menschen am Sonntag enden werden und die Menschen dann endlich in Italien in Sicherheit sind. Wir sind entsetzt, dass Maltas unterlassene Hilfeleistung zu so einer Ausnahmesituation führte. Die EU-Staaten müssen Malta eindringlich dazu ermahnen, dass die Rettungsleitstelle in Valletta endlich wieder auf Notrufe reagiert und Seenotfälle koordiniert und zwar unabhängig von der Hautfarbe oder der Herkunft der Personen, die sich in Seenot befinden“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Nach Tagen der Ungewissheit ist endlich klar: Der SEA-EYE 4 wurde ein Sicherer Hafen zugewiesen. Ehrensache, dass wir sie nach Trapani begleiten und auch weiterhin alles uns Mögliche tun, sie zu unterstützen, wo wir nur können. Wir sind glücklich, dass die vielen erschöpften Menschen endlich ankommen dürfen!“, so Axel Steier, Vorstand von Mission Lifeline e.V.

Die über 800 Menschen warten seit 2 Tagen auf einen sicheren Hafen

Am Samstagvormittag lieferte die RISE ABOVE von Mission Lifeline e. V. dringend benötigte Hilfsgüter zur SEA-EYE 4 von Sea-Eye e. V. Die Crew an Bord des Rettungsschiffs versorgt seit der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag über 800 gerettete Menschen an Bord. Lebensmitteln und Decken sind knapp, die Lieferung von der RISE ABOVE wurde deshalb dringend benötigt. Die Hilfsgüter enthalten Lebensmittel und warme Decken.

An Bord der SEA-EYE 4 befinden sich noch immer rund 800 Menschen, die gemeinsam von Sea-Eye, Mission Lifeline und German Doctors innerhalb von 48 Stunden gerettet worden sind. Weit mehr als 200 Personen sind minderjährig, darunter viele Kinder unter 10 Jahre. 5 Frauen sind schwanger. Eine genaue Zählung war bisher nicht möglich, weil die 24 köpfige Crew allein mit der Versorgung der Geretteten an Bord beschäftigt war. Über 200 Menschen mussten bisher wegen verschiedener medizinischer Bedarfe im Bordhospital von der German Doctors Ärztin Daniela Klein behandelt werden.

Mission Lifeline und SEA-EYE 4
© Hermine Poschmann & Mission Lifeline

Unsere Bordärztin berichtete der Einsatzleitung, dass die Hospital-Crew derzeit rund 25 Menschen dauerhaft behandelt. Dabei geht es u.a. um Unterkühlungen, schwerer Beschwerden wegen Seekrankheit oder auch Bluthochdruck. Es gibt aber auch Verletzungen, die den Überlebenden auf der Flucht zugefügt wurden und auf Folterungen hindeuten. Wir müssen eindringlich darauf hinweisen, dass diese Menschen so schnell wie möglich einer medizinischen Behandlung an Land zugeführt werden sollten und deshalb darf es hier zu keinem Stand-off kommen“, sagt Dr. Christine Winkelmann, Vorsitzende von German Doctors e. V.

Derzeit erhalten wir von der kleinen, Dresdner Seenotrettungsorganisation Mission Lifeline mehr Unterstützung, als von allen EU-Staaten zusammen! Damit die humanitäre Ausnahmesituation auf der SEA-EYE 4 endet, muss den über 800 geretteten Menschen unverzüglich ein sicherer Hafen zugewiesen werden. Unsere Besatzung arbeitet an den Grenzen dessen, was menschenmöglich ist. Die Verhandlungen über die Verteilung der Geretteten können auch dann geführt werden, während sie an Land versorgt werden. Das Schiff muss sofort anlegen dürfen, um die Sicherheit aller Geretteten und der Crew sicherzustellen“, fordert Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

In Deutschland sind mehr als 200 Städte und Kommunen zur Aufnahme bereit. Immer wieder werden Gespräche über die Verteilung Überlebender und Schutzsuchender erst dann intensiv geführt, wenn sie sich an Bord eines deutschen Rettungsschiffes befinden. Gemeinsam fordern wir die aktuelle und die zukünftige Bundesregierung deshalb dazu auf, großzügig bei der Aufnahme Schutzsuchender und solidarischer mit Mittelmeeranrainern wie Italien und Griechenland zu sein“, sagte Axel Steier, Vorsitzender von Mission Lifeline e. V.

Die SEA-EYE 4 und die RISE ABOVE hatten seit Dienstag, 02.11.2021, innerhalb von 48 Stunden in 7 Rettungseinsätzen über 800 Menschen gerettet. Seit Donnerstag sucht die SEA-EYE 4 für die geretteten Menschen einen sicheren Hafen.

SEA-EYE 4 mit rund 800 geretteten Menschen auf der Suche nach einem sicheren Hafen

Bis Mittwochmorgen hatten die Besatzungen der SEA-EYE 4 von Sea-Eye e. V. und German Doctors e. V. und der RISE ABOVE von Mission Lifeline e. V. insgesamt 397 Menschen in 6 gemeinsamen Einsätzen gerettet. Doch in der Nacht zum Donnerstag kam es zu einer weiteren, dramatischen Rettung von mehr als 400 Menschen aus einem überfüllten Holzboot.

Das AlarmPhone meldete am Mittwochvormittag einen Seenotfall in der maltesischen Such- und Rettungszone, in der Malta für die Koordinierung von Seenotfällen verantwortlich ist. AlarmPhone veröffentlichte den Notruf u.a. auf Twitter. Fortlaufend informierte AlarmPhone die maltesische Rettungsleitstelle über neue Koordinaten und bat um Koordinierung der Rettung. Das RCC Malta reagierte jedoch auf keinen der Hilferufe. Die SEA-EYE 4 und die RISE ABOVE waren rund sechs Stunden vom Unglücksort entfernt.

Rettungseinsatz
© Hermine Poschmann & Mission Lifeline

Trotz der großen Entfernung und der Anzahl der Geretteten, die sich bereits an Bord der SEA-EYE 4 befanden, entschieden die Einsatzleiter*innen von Sea-Eye und Mission Lifeline, die von AlarmPhone an die europäischen Rettungsleitstellen übermittelten Koordinaten anzufahren, denn anderweitige Hilfe für die Menschen in akuter Lebensgefahr war nicht zu erwarten.

Die RISE ABOVE erreichte das Holzboot, das über zwei Ebenen verfügte, am Mittwochabend zuerst. Zu dem Zeitpunkt war bereits ein Leck im Boot, durch das Wasser eindrang. Mehrere Personen waren ohne Schwimmwesten im Wasser und mussten direkt aus dem Meer gerettet werden. Die SEA-EYE 4 traf kurze Zeit später ein. Die Besatzungen der Rettungsboote versorgten die Menschen zügig mit Rettungswesten, beruhigten sie und stabilisierten zunächst die gefährliche Situation. Denn ein so großes Holzboot kann leicht kentern, wenn Unruhe oder sogar Panik aufkommt. Medizinische Notfälle wurden zuerst auf die SEA-EYE 4 evakuiert. Eine Person konnte noch auf dem Rettungsboot auf dem Weg zur SEA-EYE 4 erfolgreich reanimiert werden. Die vollständige Evakuierung des Holzbootes konnte erst um Mitternacht abgeschlossen werden.

Es befinden sich nun mehr als 800 Menschen auf der SEA-EYE 4, die inzwischen Kurs auf Lampedusa genommen hat. Die italienische Insel ist nur wenige Stunden vom Unglücksort entfernt und so der am schnellsten erreichbare, sichere Hafen.

Für die 24 köpfige Besatzung der SEA-EYE 4 kommt es nun zu einer noch nie da gewesenen Belastungssituation. 

Rettungseinsatz
© Hermine Poschmann & Mission Lifeline

Das Rettungsschiff ist auf die schnelle Zuweisung eines sicheren Hafens angewiesen. Sea-Eye hat die Rettungsleitstelle in Rom bereits um die Zuweisung eines sicheren Hafens und das Auswärtige Amt um dringende Unterstützung gebeten, da Malta sich jeder Kommunikation verweigert. 

„Auf der SEA-EYE 4 herrscht nun der Ausnahmezustand. Jede Verzögerung durch die Behörden gefährdet die Gesundheit und das Leben der geretteten Menschen und unserer Besatzung. Es ist beschämend, wie Malta sich immer wieder seiner Verantwortung entzieht und Notrufe ignoriert”, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

„Das Verhalten der europäischen Behörden hat beinahe kriminelle Züge. Die Zuständigkeiten sind eindeutig und klar geregelt. Warum sich die Staaten nicht daran halten und wissentlich Menschen in Seenot im Stich lassen, kann nur mit mangelndem Verfolgungsdruck des internationalen Strafgerichtshofs zusammenhängen. Es wäre ein Leichtes, die Verantwortlichen persönlich zur Rechenschaft zu ziehen!“ so Axel Steier, Vorstand und Sprecher von MISSION LIFELINE e. V.

Es ist erschütternd, wie viele Rettungen Sea-Eye und andere Organisationen in den letzten Tagen vornehmen mussten. Die Situation vor Ort ist dramatisch, da die Rettungskräfte an den Rand ihrer Belastung kommen und die Kapazitäten nicht mehr ausreichen. Wir brauchen Hilfe, damit alle Menschen, die gerade in Seenot sind, gerettet werden können. Das ist doch unsere gemeinsame moralische Verantwortung“, so Dr. Christine Winkelmann, Vorständin der German Doctors, die durch die Bordärztin Daniela Klein an der Rettungsaktion beteiligt sind.

Deutsche Rettungsschiffe SEA-EYE 4 und RISE ABOVE in 5 Rettungen involviert

Den Seenotrettungsschiffen SEA-EYE 4 von Sea-Eye e. V. und die RISE ABOVE von Mission Lifeline e. V. wurde in der Nacht zum Dienstag, 02.11.2021, ein Notruf vom AlarmPhone weitergeleitet. Zeitgleich wurden die zuständigen Behörden informiert. Eine Reaktion der Behörden blieb bisher aus.

Die kleinere, schnelle RISE ABOVE erreichte den Seenotfall zuerst, versorgte die Menschen mit Rettungswesten und blieb vor Ort, bis die größere SEA-EYE 4 eintraf. Die Crew evakuierte die Menschen aus dem hochseeuntauglichen Schlauchboot und brachte sie an Bord der SEA-EYE 4. Schon während der ersten Rettung wurden den Rettungsschiffen mehrere, weitere Seenotfälle gemeldet. Bis zum Dienstagmorgen konnten die Crews beider Schiffe 325 Menschenleben von insgesamt 5 Booten retten. Dabei erwies sich die Zusammenarbeit beider Schiffe mit unterschiedlichen Eigenschaften als sehr wirksam. Während die RISE ABOVE doppelt so schnell ist und einen Unglücksort zügig erreichen kann, ist die SEA-EYE 4 in der Lage, viele Menschen an Bord zu nehmen und medizinisch in einem Bordhospital zu versorgen.

Rettungseinsatz

Ermöglicht wird dies durch die medizinische Expertise der Bonner Organisation German Doctors e.V., die erneut mit Bordärztin Daniela Klein auf der SEA-EYE 4 vertreten ist.

An Bord der SEA-EYE 4 befinden sich nun 325 Menschen. Unter ihnen sind 152 Kinder, 31 Frauen und 142 Männer. Zwei der Frauen sind schwanger. Auf der SEA-EYE 4 werden die Menschen nun einem ersten medizinischen Check-up unterzogen, auf Covid-19 getestet und mit Nahrung und Trinkwasser versorgt.

„Es gibt 5 Menschen mit schweren Verletzungen. Bis zu 10 Personen mussten heute länger im Hospital behandelt werden. Wir werden noch bis in die Nacht arbeiten und müssen noch rund 50 Menschen medizinisch versorgen. Viele der Geretteten sind sehr seekrank, was sich auch dadurch verschlimmert hat, dass viele Menschen Treibstoff eingeatmet haben, was zu schrecklicher Übelkeit und Erbrechen führte. Und es gibt viele Hautverbrennungen, die durch den mit Meerwasser vermischten Treibstoff verursacht wurden. Nicht zu vergessen sind ältere Wunden, die ebenfalls behandelt werden müssen, und psychisch traumatisierte Patienten”, sagt Bordärztin Daniela Klein von German Doctors e. V.

Rettungseinsatz

„Unter den Geretteten haben wir rund 150 Minderjährige und mehrere Familien mit Kleinkindern. 11 Kinder sind annähernd um die drei Jahre alt. Wären unsere Schiffe nicht rechtzeitig vor Ort gewesen, dann wären die Leben dieser Menschen dem Meer ausgeliefert geblieben. Wir sind dankbar, dass die Familien nun in den fürsorglichen Händen unserer Rettungskräfte sind”, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

„Wir sind glücklich, dass wir im ersten Einsatz mit unserem neuen Schiff zusammen mit der Crew der SEA-EYE 4 so viele Menschen retten konnten. Die spezifischen Stärken und Vorteile jedes der beiden Schiffe zu kombinieren, war für die Rettungen von unschätzbarem Vorteil”, sagt Axel Steier, Vorsitzender von Mission Lifeline e. V.