Abschottung um jeden Preis

Seit über vier Jahren unterhält die Europäische Union ein Abkommen mit der sogenannten libyschen Küstenwache, in dessen Rahmen Italien schon zahlreiche Schiffe an Libyen verschenkt hat. Dabei unterstützte die EU die sogenannte libysche Küstenwache mit hohen Millionenbeträgen und bildete sie im Rahmen der Frontex-Missionen Sophia und Irini aus, um Flüchtende auf dem Mittelmeer abzufangen. Die weitere Unterstützung der Mission Irini wurde vor Kurzem erst vom deutschen Bundestag beschlossen.[1]

Allein am 16. und 17. Mai als Sea-Eye über 400 Menschen aus Seenot rettete, wurden über 600 Menschen illegal zurück nach Libyen verschleppt. Insgesamt wurden in diesem Jahr bereits mindestens 11.000 Menschen[2] zwangsweise zurück nach Libyen gebracht. Auch an anderen EU-Außengrenzen wie Griechenland, Spanien und Kroatien ist es gängige Praxis, dass die EU-Staaten flüchtende Menschen gewaltvoll zurücktreiben. Insgesamt haben sich EU-Staaten schon an Pushbacks gegenüber 40.000 Flüchtenden beteiligt, wobei mindestens 2.000 Menschen ums Leben kamen, wie der Guardian vor Kurzem enthüllte.[3]

Gerettetes Kind auf der SEA-EYE 4

Die Situation im Mittelmeer ist seit Jahren erschreckend und alarmierend. Wir erwarten von europäischen Politiker*innen einen umgehenden Wechsel zu einer Migrationspolitik, die die Menschenrechte achtet, statt das Recht auf Asyl und das Recht auf Leben mit Füßen zu treten. Insbesondere die Bundesregierung und die deutsche Kommissionspräsidentin von der Leyen müssen sich dringend für Menschenrechte im Mittelmeer einsetzen“, sagt Kai Echelmeyer, Sprecher von Sea-Eye e. V.

Libysche Küstenwache

Sea-Eye fordert:

  • Diese unmenschliche Politik muss sofort beendet werden. Kein Mensch darf gegen seinen Willen und gegen internationales Recht in das Bürgerkriegsland Libyen zurückverschleppt werden.
  • Die libysche Küstenwache darf nicht länger für illegale Rückführungen benutzt werden.
  • Es muss ein europäisches Seenotrettungsprogramm geschaffen werden.
  • Die Aktivitäten von Frontex müssen genauestens auf Menschenrechtsverletzungen untersucht werden.
  • Die zivilen Seenotrettungsorganisationen müssen in ihrer Arbeit unterstützt statt behindert werden.

Sea-Eye begrüßt die Bildung eines Untersuchungsausschusses im EU-Parlament im Februar 2021[4]. Mit Erik Marquardt ist ein Sea-Eye Mitglied Teil des Untersuchungsausschusses, das als Mitglied des Europäischen Parlaments vor Kurzem mit der Sea-Eye Lokalgruppe München in einem Workshop über Frontex diskutierte.

Quellen:
[1] https://www.bmvg.de/de/aktuelles/parlament-verlaengert-beteiligung-atalanta-irini-5058624
[2] https://twitter.com/msehlisafa/status/1403365140465176584?s=19
[3] https://www.theguardian.com/global-development/2021/may/05/revealed-2000-refugee-deaths-linked-to-eu-pushbacks
[4] https://de.euronews.com/2021/02/23/eu-parlament-bildet-frontex-untersuchungsausschuss


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Schutz von Menschenrechten nicht in Sicht

Auf der vergangenen Mission der SEA-EYE 4 wurde die Crew zweimal Zeuge davon, dass Frontex scheinbar bewusst nicht mit Seenotrettungsorganisationen kooperiert, sondern mit der sogenannten libyschen Küstenwache zusammenarbeitet, die Menschen illegal zurück nach Libyen verschleppt.

Am Freitag, 14. Mai, wurde die Crew von Alarmphone über ein Boot in Seenot informiert. Als die SEA-EYE 4 das Boot erreichte, war dieses bereits leer und der Motor abmontiert. Alles deutet daraufhin, dass diese Menschen gegen internationales Recht zurück nach Libyen gebracht wurden. Das Seerecht schreibt vor, dass Gerettete an einen sicheren Ort gebracht werden müssen. Das Bürgerkriegsland Libyen kann nach all den Berichten von Folter, Versklavung, Vergewaltigung und Mord diese Bedingung nicht erfüllen.

Boot und SEA-EYE 4

Über dem leeren Boot kreiste ein Frontex-Flugzeug, was zeigt, dass Frontex offensichtlich über den Seenotfall informiert war. Allerdings wurde die SEA-EYE 4 nicht in die Rettung eingebunden, obwohl sie in der Nähe war. Entweder kam Frontex der Verpflichtung, die Rettung zu koordinieren, nicht nach oder aber die Agentur informierte die sogenannte libysche Küstenwache, damit diese die Menschen zurück nach Libyen verschleppen konnte. So oder so setzte das Frontex-Flugzeug ganz bewusst Menschenleben aufs Spiel – ein klarer Verstoß gegen die Menschenrechte.

Nachdem die SEA-EYE 4 bereits mehrere Rettungen durchgeführt hatte, entdeckte die Crew am Sonntag, 16. Mai, ein weiteres Frontex-Flugzeug, das für längere Zeit über einer Stelle im Meer kreiste. Als das Rettungsschiff sich der Stelle näherte, entdeckte die Crew ein weiteres Boot in Seenot und konnte die 50 Menschen aus dem überfüllten Boot in Sicherheit bringen. Wieder hatte Frontex die SEA-EYE 4 nicht über den Seenotfall informiert. Die Vermutung liegt nahe, dass auch hier die sogenannte libysche Küstenwache involviert werden sollte.

Boot und SEA-EYE 4

Die EU-Agentur Frontex scheint es zu bevorzugen, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken oder zurück nach Libyen verschleppt werden, wo ihnen schlimmste Menschenrechtsverletzungen drohen, statt sie in Europa in Sicherheit zu bringen. Diese menschenverachtende Praxis der EU-Agentur und der gesamten Politik der Europäischen Union muss sofort aufhören!“ so Kai Echelmeyer, Sprecher von Sea-Eye e. V.


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SEA-EYE 4

Italienische Küstenwache setzt SEA-EYE 4 in Palermo fest

Zu viele Menschen gerettet: Die SEA-EYE 4 wurde von den italienischen Behörden nach einer 12-stündigen Hafenstaatkontrolle in Palermo festgesetzt. Zur selben Zeit ehrte Palermos Bürgermeister, Leoluca Orlando, die Crew der SEA-EYE 4.

SEA-EYE 4: Gerettete

Die Vernichtung von Flucht nach Europa

Die Angriffe der EU-Staaten auf Menschen, die nach Europa flüchten, werden immer brutaler. Die jüngsten Ereignisse in der spanischen Exklave Ceuta sind nur ein weiteres Glied in einer langen Kette der Eskalation von staatlicher Gewalt.

Bürgermeister von Palermo ernennt Sea-Eye-Crew zu Ehrenbürger*innen

Während Bürgermeister, Leoluca Orlando, die Crew der SEA-EYE 4 am Freitagabend zu Ehrenbürger*innen der Stadt Palermo ernannte, wurde das neue Rettungsschiff der Regensburger Seenotretter*innen von zwei Inspekteur*innen der italienischen Küstenwache festgesetzt.

Wie bereits bei anderen zivilen Rettungsschiffen werden nun auch bei der SEA-EYE 4 die gleichen technischen Gründe angeführt, um weitere Einsätze des Schiffes zu stoppen.

Im Prinzip geht es immer wieder darum, dass argumentiert wird, die deutschen Rettungsschiffe würden regelmäßig zu viele Menschen vor dem Ertrinken retten und für diesen humanitären Zweck falsch zertifiziert sein“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Ehrenbürgerschaft für die Crew der SEA-EYE 4 in Palermo

So heißt es im Bericht der italienischen Küstenwache: „Die große Anzahl der geborgenen Personen, die über die durch das genannte Zertifikat erlaubte Anzahl hinausgeht, stellt eine ernste Gefahr für das Schiff und die Besatzung dar.“ Insgesamt führten die Inspekteur*innen während einer 12-stündigen Hafenstaatkontrolle 10 Gründe für die Festsetzung an. Grotesk erscheint indes der Grund, dass der Kapitän der SEA-EYE 4 gegen Artikel 98 des Seerechtsübereinkommens verstoßen haben soll, indem er zu viele Menschen gerettet habe. Artikel 98 beschreibt jedoch die explizite Pflicht der Flaggenstaaten seine Kapitän*innen zur Seenotrettung zu verpflichten.

Unser Kapitän ist der Pflicht zur Seenotrettung vorbildlich nachgekommen. Er hat Seenotfälle gesehen und eine sichere Rettung durchgeführt. Daran können sich die EU-Staaten ein Beispiel nehmen“, sagt Isler weiter.

Inzwischen sind vier Rettungsschiffe unter deutscher Flagge von Italien festgesetzt worden: die ALAN KURDI, die SEA-WATCH 3, die SEA-WATCH 4 und nun auch die SEA-EYE 4.

SEA-EYE 4: Rettungsring

Die SEA-EYE 4 führte im Mai ihre erste Rettungsmission durch und rettete 408 Menschenleben, darunter 150 Kinder. Die geretteten Menschen durften, nachdem die SEA-EYE 4 mehrere Tage einen sicheren Hafen gesucht hatte, am 21. und 22.05.2021 in Pozzallo auf Sizilien an Land gehen. Die italienischen Behörden behinderten und schikanierten das Rettungsschiff und die Geretteten auf der Suche nach einem sicheren Hafen und bei der Ausschiffung. Zum Bericht.