Man muss sich klarmachen, dass wir im Schnitt mehr als ein Menschenleben pro Tag bewahrt haben. Ein Blick zurück.

Vier dieser Menschen möchten wir euch heute vorstellen und in Erinnerung rufen. Denn es geht nicht um Zahlen oder um Statistik, sondern um persönliche Einzelschicksale: um Lebenswege, Familie, Hoffnung, Angst und um Träume.

Geflüchteter

Alpha Jor floh aus Sierra Leone. Einsatzleiter Jan Ribbeck und seine Crew fanden den Jungen zusammen mit 16 weiteren Überlebenden orientierungslos auf dem Meer. Trotz grausamer Erfahrungen brachte er sein Lächeln und seinen Frohsinn mit aus einem überfüllten Holzboot auf die ALAN KURDI. Er musste fast ein Jahr auf Malta ausharren, bis ihn ein anderes EU-Mitgliedsland aufnahm. Seine Retter haben Kontakt zu ihm. Wir wissen, wie hart es für ihn war und dass er nun wieder optimistisch in die Zukunft sieht.

Geflüchteter in eine Decke gehüllt

Qeyz floh mit 16 aus Somalia. An einem Morgen im Juni entdeckte die FAZ-Journalistin Julia Anton mit einem Fernglas das blaue Schlauchboot, auf dem er sich mit weiteren 59 Geflüchteten befand. Julia Anton hatte die Morgenwache. Später sagte ein Geretteter zu ihr: “We would have died without it.“ Heute lebt Qeyz zusammen mit vier weiteren Überlebenden aus diesem Boot in Finnland.

Manuel wurde zusammen mit seiner Mutter und seinem Vater im April gerettet. Die nigerianische Familie lebte bereits seit einigen Jahren in Libyen. Der Vater reparierte Klimaanlagen, um die Familie zu ernähren, bis das Leben dort unerträglich wurde. “As a foreigner you have no rights and no protection in Libya. Your family can become victims of serious violence at any time.“ Die Familie ist nun in Sicherheit.

Evakuierung eines Babys durch die italienische Küstenwache

Fatima’s Leben hatte gerade erst vor acht Wochen begonnen, als Bordärztin Barbara H. das Kind im November direkt vom Rettungsboot durchnässt vom Meerwasser entgegennahm. Sie wachte die ganze Nacht über das dehydrierte und unterernährte Mädchen und übergab es am nächsten Morgen zusammen mit den Eltern an die italienische Küstenwache.

Diese Menschen leben, weil Sie uns unterstützen. Ohne Ihre Hilfe kann die ALAN KURDI nicht ablegen. Ohne Ihre Zuwendungen kann unser Schiff keine Crews in die libysche Rettungszone tragen, um dort Menschen wie Fatima, Manuel, Qeyz und Alpha Jor in den schwersten Stunden ihres Lebens beizustehen.

Wir bitten Sie heute, uns mit einer Schiffspatenschaft für die ALAN KURDI regelmäßig zu unterstützen. Den Betrag bestimmen Sie selbst. Durch Ihre regelmäßige Unterstützung machen Sie unsere Arbeit sicherer und planbarer.

Von Herzen Danke und ein frohes, gesundes, neues Jahr für Sie und Ihre Lieben!

Einsatz vom 2. Weihnachtsabend findet gutes Ende

  • ALAN KURDI legt in Pozzallo an
  • 32 gerettete Personen können an Land gehen
  • Malta lehnte eine Evakuierung von geschwächten Frauen und Kindern ab
  • Guiseppe Conte kündigte eine Überarbeitung der strengen Sicherheitspolitik an

Am Sonntagmorgen legte das deutsche Rettungsschiff ALAN KURDI im Hafen von Pozzallo an. Die 32 Überlebenden sendeten am zweiten Weihnachtsabend einen Notruf an die Hilfsorganisation AlarmPhone. Sofort wurden die libyschen Behörden und die zivilen Rettungsschiffe ALAN KURDI und OCEAN VIKING informiert. In der Nacht zum Freitag fand die Crew der Regensburger Organisation insgesamt 32 Menschen in einem überfülltem Kunststoffboot. Alle Überlebenden gaben an, libysche Staatsbürger zu sein.

Nachdem sich das Rettungsschiff ALAN KURDI am Samstagabend erst wenige Stunden in der italienischen Such- und Rettungszone befand, wies die italienische Seenotleitstelle unserer Einsatzleitung einen sicheren Hafen zu. Zuvor war für zehn Gerettete bei der maltesischen Rettungsleitstelle um Evakuierung gebeten worden. Zwei Frauen und mehrere Kinder nahmen aufgrund der Seekrankheit und des Stresses keine Nahrung und kein Wasser zu sich und waren dehydriert. Trotzdem lehnte die maltesische Leitstelle eine Evakuierung ab.

„Wir sind wirklich erleichtert, dass die Geretteten nicht länger an Bord unseres Schiffes ausharren mussten. Der medizinische Zustand einiger Menschen und der aufziehende Sturm bereitete uns zunehmend Sorgen“, sagte Vorstand Gorden Isler.

Die Menschenrechtsbeobachterin an Bord der ALAN KURDI interviewte einige Überlebende. Ein Mann berichtete, dass er zum Militärdienst für den libyschen Bürgerkrieg herangezogen werden sollte und floh deshalb, weil er keine Menschen töten wolle. Seine Partnerin und er gaben weiter an, die Flucht über das Mittelmeer als letzten Ausweg gesehen zu haben. Sea-Eye wertet die Interviews zur Zeit noch aus.

Am Samstag äußerte sich der italienische Staatspräsident Guiseppe Conte, dass er Salvini’s Sicherheitspolitik überarbeiten wolle. Unter dem ehemaligen Innenminister Matteo Salvini wurden drakonische Strafen gegen Rettungskräfte und Rettungsschiffe eingeführt.

Julian Pahlke, Sprecher von Sea-Eye zu den politischen Entwicklungen Italiens: „Salvinis Politik der geschlossenen Häfen muss sofort beendet werden. Die sogenannten Sicherheitspakete haben nicht nur das fremdenfeindliche Klima angeheizt, sie widersprechen auch dem Völkerrecht und fundamentalen Menschenrechten. Der Ankündigung des Staatspräsidenten müssen nun Taten folgen. Wir müssen zu einer humanitären Sicht auf diese Krise an unseren gemeinsamen Außengrenzen zurückfinden. Im gleichen Zuge müssen aber alle EU-Mitgliedsstaaten zusammen, die Mittelmeeranrainerstaaten unterstützen und sich auf eine gemeinsame Verteilung aller Geretteten einigen.“

Crew der ALAN KURDI rettet 32 Menschenleben

Am zweiten Weihnachtsabend empfing die Crew der ALAN KURDI einen Notruf. Das deutsche Rettungsschiff hatte die libysche Such- und Rettungszone erst wenige Stunden zuvor erreicht. Der Notruf wurde um 22:31 Uhr von der Hilfsorganisation AlarmPhone an die libysche Rettungsleitstelle und an die Rettungsschiffe ALAN KURDI und Ocean Viking weitergeleitet.

Das Schiff der Regensburger Seenotretter benötigte rund zwei Stunden zur übermittelten Koordinate, die sich nur etwa 17 Seemeilen von der libyschen Küste entfernt befand. Dennoch reagierten die libyschen Behörden überhaupt nicht auf den weitergeleiteten Notruf.

Auf dem überfüllten Kunststoffboot befanden sich insgesamt 32 Personen, darunter 10 Kinder und 5 Frauen. Eine Frau ist schwanger. Das jüngste Kind ist gerade einmal 3 Monate alt. Alle Überlebenden geben an libysche Staatsbürger zu sein.

„Wie sicher kann Libyen schon sein, wenn sich die Libyer selbst mit ihren Familien auf dem Meer in Lebensgefahr begeben, um das Land zügig zu verlassen?“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye.

Bis zum heutigen Freitagvormittag hat sich keine Rettungsleitstelle als zuständig erklärt. Die ALAN KURDI hat inzwischen Kurs auf die italienische Insel Lampedusa gesetzt, denn der nächste Sturm zieht auf.

„Die Flucht ist zu dieser Jahreszeit besonders gefährlich, weil sich das Wetter ständig ändert“, sagt Julian Pahlke, Sprecher von Sea-Eye. „Hätten wir die Menschen nicht gefunden, wären sie spätestens morgen in einen Sturm geraten. Ihre Überlebenschancen wären dadurch drastisch gesunken.“

Wir haben lange überlegt, ob wir diese Bilder veröffentlichen. Wir sind nach langer Abwägung zu dem Entschluss gekommen, dass diese Geschichten gehört werden sollen. Um die interviewten Geretteten zu schützen, wurden ihre Gesichter unkenntlich gemacht.

Warnung: Die Inhalte enthalten Berichte über massive Gewalt und massive Gewalt an Kindern

Unsere Menschenrechtsbeobachterin interviewte zwei Überlebende, die im November 2019 von der ALAN KURDI aus einem Schlauchboot gerettet worden sind.

In dem Video beschreibt die Gerettete entsetzliche Szenen, die sie während ihrer Zeit in einem libyschen Lager beobachtet hat. Sie schildert, wie ein Libyer ein Neugeborenes einer Frau lebend entreißt und es zu einem „wütenden Hund“ bringt. Die Geretteten beschreiben Erfahrungen brutalster Gewalt. Ein junger Mann berichtet, dass er mit seiner Familie telefonieren musste und währenddessen solange verprügelt worden ist, bis er vor Schmerzen jammerte.

Wir haben uns dazu entschlossen, diese Berichte zu veröffentlichen, weil die Situation in libyschen Lagern zur Realität der europäischen Grenzsicherung gehört. Die Berichte über Sklavenhandel, schwere Folter, Misshandlungen, sexuelle Gewalt, genauso aber Unterversorgung, völlig unzureichende medizinische Versorgung und unmenschlich unhygienische Zustände haben bisher zu keiner Abkehr der europäischen Migrationspolitik geführt.

Die Regierungen der EU Mitgliedsstaaten laden in diesen Jahren schwere Schuld auf sich und auf uns. Denn es ist unsere Zeit. Es sind unsere Brüder, Schwestern und deren Kinder, die in Libyen gefoltert, vergewaltigt und ermordet werden. Dass dabei tiefe Abgründe aufgerissen werden, wird bewusst in Kauf genommen.

Wir fordern deshalb erneut von der Bundesregierung und der Europäische Union sowie allen ihren Mitgliedstaaten:

  • Beenden Sie die menschenverachtende Politik der Rückführung von auf See Geretteten nach Libyen
  • Kehren Sie zu einer menschenrechtsorientierten, humanitären Politik zurück.
  • Besonders vulnerable Personen, zum Beispiel Familien, schwangere Frauen und Kinder, müssen evakuiert werden und vor weiteren Verbrechern geschützt werden.
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Im Interview berichten die Geretteten über massive Gewalt und massive Gewalt an Kindern in libyschen Lagern:.

Unsere Bordärztin Barbara H. berichtet von ihrem Rettungseinsatz auf der ALAN KURDI im November 2019. Dabei begegnete sie einem jungen Mädchen und erlebte eine ganz besondere Weihnachtsgeschichte.

Ich kam ganz plötzlich dazu, an der Novembermission der ALAN KURDI teilzunehmen. Am 7. November rief mich Nicole Grimske, ein Vorstandsmitglied von Sea-Eye, an. Sie fragte, ob ich bereit wäre, an der nächsten Mission teilzunehmen, da noch ein Mediziner benötigt wurde. Nach Rücksprache mit meinem Mann flog ich einen Tag später nach Bari (Italien) und fand mich am Nachmittag in Tarent wieder, wo die ALAN KURDI lag.

Barbara auf der ALAN KURDI
Barbara H., Ärztin auf der ALAN KURDI

Unser Auslaufen verzögerte sich leider, da ein schwerer Sturm über Italien zog und Schäden auf unserem Schiff im Hafen verursacht hat. Am 21. November verließen wir endlich den Hafen von Tarent und erreichten vier Tage später die Such- und Rettungszone vor Libyen. Zu dieser Zeit war die ALAN KURDI das einzige Rettungsschiff vor Ort.

Am späten Vormittag des 28. Novembers hatten wir unseren ersten Einsatzfall, bei dem wir 44 Menschen aus einem seeuntüchtigen Schlauchboot retten konnten. Darunter waren 21 Frauen, ein Kleinkind erst 15 Monate alt, sowie ein vier und ein acht Wochen altes Neugeborenes. In den frühen Abendstunden des gleichen Tages fanden wir ein weiteres Schlauchboot mit 40 Menschen.

Das acht Wochen alte Mädchen, die kleine Fatima, hat mich sehr ergriffen und berührt. Ich nahm sie nass entgegen und sah die vom Meerwasser gereizte Haut, die faltigen Beinchen und Ärmchen. Sie war deutlich schwächer als das vierwöchige Baby. Von der Mutter habe ich erfahren, dass sie seit zwei Tagen die Nahrung verweigert hatte. Noch am Abend lehnte Malta eine Evakuierung des Mädchens trotz ihres schlechten gesundheitlichen Zustandes ab.

So habe ich in der darauffolgenden Nacht mit dem Mädchen einige Stunden verbracht. Die Säuglingsmilch, die ich ihr tropfenweise anbot, hat sie nicht angenommen. Sie hat nicht geweint und nicht geschlafen. Ab und zu hat sie leise gewimmert und mich mit ihren großen, dunklen und klugen Augen angeschaut, als ob sie alles Wissen der Welt in sich trüge. In den Morgenstunden schlief sie ein und ich konnte sie ruhig, aber mit grauer Hautfarbe an die italienische Küstenwache übergeben. Mit ihr wurde das zweite Neugeborene, das Kleinkind, die Eltern und eine weitere Person, die sich in einem schlechtem Allgemeinzustand befand, evakuiert.

Die folgenden Tage waren geprägt von Zusammenbrüchen und Panikattacken unserer Gäste. Die Spuckbeutel waren bald aufgebraucht und die Infusionslösungen wurden knapp, obwohl das Bordhospital gut bestückt war. Auf unsere Anfragen nach Unterstützung hat Malta entweder nicht geantwortet oder eine Evakuierung abgelehnt. Am 30. November haben die Seenotleitstellen Rom, Malta und Bremen bezüglich der Zuständigkeit für unseren Seenotfall jeweils aufeinander verwiesen.

Früh am 1. Dezember sah ich unsere Gäste, bei dieser kalten Jahreszeit nur in Decken gehüllt, an Deck liegen. Da bekam ich den Eindruck, dass wir ausgeblendet werden von Europa. Mir fiel die in der Bibel beschriebene Herbergssuche ein. Auch Adventslieder kamen mir in den Sinn: „Es kommt ein Schiff geladen (…), es trägt eine teure Fracht“ oder „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Wo waren die weiten Tore?

Als dann unsere vorwiegend jungen Crewmitglieder an Bord wuselten, um unseren Gästen Frühstück zu bereiten, als ich Adrian hörte, wie er einen weiblichen Gast mit „Sister“ ansprach, als Philipp, der Paramedic, bei einem männlichen Gast mit geschundenem Körper aus Libyen und resignierten Gesichtszügen „ein gebrochenes Herz“ diagnostizierte und unsere Gäste mich mit „Mama“ ansprachen, da wusste ich, ich bin zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Die gesamte Crew hat den Menschen während ihrer Tage an Bord der ALAN KURDI ihre Würde zurückgegeben. Ich hoffe, sie erfahren auch auf ihrem weiteren Weg Würde und erhalten Brot auch in Europa. Erst fünf Tage nach ihrer Rettung fanden diese Menschen Aufnahme in Messina.

Was die kleine Fatima betrifft, so verfolgen mich ihre Augen immer noch. Ich freue mich, dass wir ihr im Gegensatz zu dem kleinen Alan, nach dem unser Rettungsschiff benannt ist, das Leben retten konnten. In diesem Jahr habe ich das Kind in der Krippe schon am 28. November gefunden.

Katholische Kirche in Paderborn finanziert Weihnachtsmission von Sea-Eye

  •     Bürgermeister von Palermo verabschiedet die Crew der ALAN KURDI
  •     Rückenwind für Regensburger Seenotretter aus dem Erzbistum Paderborn
  •     Unterstützung durch die Stadt Konstanz
  •     Sea-Eye errichtet Seenotrettungsstützpunkt in Palermo

Am Freitagabend verließ das deutsche Rettungsschiff ALAN KURDI den Hafen von Palermo. Bürgermeister Leoluca Orlando erschien persönlich, um der Crew eine erfolgreiche Mission und sichere Heimkehr zu wünschen. Zuvor hatte er die Crew im Rathaus von Palermo empfangen und die Flagge von Palermo an den Kapitän Uwe Doll überreicht.

Rückenwind erhalten die Regensburger Seenotretter ebenfalls aus dem Erzbistum Paderborn. Im Oktober wurden die Spenden bei Sea-Eye knapp. Eine Mission musste deshalb ausfallen. Generalvikar Alfons Hardt nahm Kontakt mit Sea-Eye auf und sicherte sofortige Unterstützung des Erzbistums zu, um die Einsatzfähigkeit der ALAN KURDI zur Jahreswende sicherzustellen.

„Die Unterstützung aus Paderborn kam keinen Tag zu früh. Die Flucht über das Meer ist zu dieser Jahreszeit besonders gefährlich. Wir sind Erzbischof Hans-Josef Becker unendlich dankbar, der so wiederholt deutlich macht, dass es unser aller Menschenpflicht ist, das Leben Schutzsuchender zu retten“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye.

Dem Hilferuf im Oktober folgten auch die Abgeordneten der Stadt Konstanz. So erhielt Sea-Eye eine schnelle Nothilfe über 5.000 €. Konstanz ist neben Hamburg die zweite, deutsche Stadt, die Sea-Eye finanziell unterstützt und dem Bekenntnis zum sicheren Hafen weitere, konkrete Maßnahmen folgen lässt.

Palermo soll der neue Seenotrettungsstützpunkt für die ALAN KURDI werden. So soll das Schiff ab sofort von Palermo aus in Rettungseinsätze starten.

„Nach der Bruchlandung des italienischen Innenministers Matteo Salvini, sind die italienischen Häfen wieder offen“, sagt Julian Pahlke, Sprecher von Sea-Eye.

Zuvor musste die ALAN KURDI von Spanien aus starten. Die kürzere Anfahrt ins Einsatzgebiet ermöglicht höhere Anwesenheitszeiten der ALAN KURDI in der libyschen Such- und Rettungszone und geringere Einsatzkosten.

„Wir sind gern in Palermo. Der Bürgermeister und die Menschen dort haben uns mit offenen Armen empfangen. Daher wollen wir hier unseren neuen Stützpunkt errichten“, sagt Pahlke weiter.

Deutsches Rettungsschiff darf in Messina anlegen

  • 61 Gerettete gehen in Messina von Bord
  • Situation hatte sich am Dienstagabend durch aufziehenden Sturm verschärft

Nach einer sechstägigen Seeblockade hat das deutsche Rettungsschiff von Sea-Eye am frühen Mittwochmorgen in Messina anlegen dürfen. Die Situation an Bord hatte sich am Dienstagabend noch weiter zugespitzt.

Die ALAN KURDI durchquerte am Dienstagabend die Straße von Messina, um an der nördlichen Küste Siziliens Schutz vor schwerem Wetter zu finden. Zu diesem Zeitpunkt wartete die Einsatzleitung seit beinahe 6 Tagen auf einen sicheren Hafen. Am Mittwochmorgen gegen 9:00 Uhr konnten die verbliebenen 61 Geretteten schließlich in Messina von Bord gehen. Ohne einen solchen, sicheren Hafen hätten die Sicherheit und Gesundheit der Geretteten nicht weiter gewährleistet werden können.

Die ALAN KURDI hatte am 28. November in zwei Rettungen 84 Menschen aus Seenot gerettet. In den folgenden Tagen mussten 23 Menschen in drei Evakuierungen durch die italienische Küstenwache von Bord gebracht werden. Zwölf Menschen brachen während der tagelangen Wartesituation zusammen und benötigten schnellstmöglich medizinische Hilfe an Land. Zudem war ein Neugeborenes in einem kritischen Gesundheitszustand.

Julian Pahlke, Sprecher der Organisation Sea-Eye, übt schwere Kritik an dem Verfahren der europäischen Minister und der EU-Kommission:

„Monatelang feierten sich die Ministerinnen und Minister selbst für den sogenannten „Malta-Deal”, der eine schnelle Verteilung und Anlandung sicherstellen sollte. Seehofer sagte selbst am Montag noch, er sei mit dem Fortschritt bisher sehr zufrieden. Dafür haben wir kein Verständnis. Menschen sind keine Verhandlungsmasse. Es dürfte keine politischen Deals geben, wo das Gesetz längst alles regelt.”

Der Vorsitzende der Organisation Sea-Eye, Gorden Isler, äußerte sich entsetzt über die erneute Erfahrung einer Seeblockade:

„Die grundlegendsten Rechte von Menschen auf der Flucht, werden diesen Menschen so weiter abgesprochen. Die Geretteten haben unseren Crewmitgliedern von Fluchterfahrungen berichtet, die auch uns an Land schlaflose Nächte besorgten. Wir kümmern uns nach dem Anlegen um unsere Besatzung und vertrauen Europa 84 hoffnungsvolle und verletzte Seelen an.”

Während das Schiff ALAN KURDI vor den Häfen wartete, wurde ein Holzboot mit vermutlich 70 Personen vermisst. Es wurde bis heute nicht gefunden. Die Suche wurde Samstagnacht von der maltesischen Army abgebrochen. Der Verbleib dieser 70 Menschen ist ungeklärt.

Maltesische Rettungsleitstelle telefonisch nicht erreichbar

  • vier Personen kollabiert
  • kein sicherer Hafen für die ALAN KURDI

Die Situation an Bord des deutschen Rettungsschiffes ALAN KURDI hat sich über das Wochenende zugespitzt. Am Samstag mussten acht Personen von Bord des Schiffes nach Lampedusa evakuiert werden, darunter zwei Säuglinge jeweils vier und acht Wochen alt. Ein Neugeborenes nahm keine Nahrung mehr zu sich, war dehydriert, unterernährt und deshalb in kritischer Verfassung.

Seit Sonntagnachmittag kollabierten an Bord des deutschen Rettungsschiffes vier Personen. Sie werden seither im Bordhospital behandelt. Die mit Dringlichkeit angefragten Evakuierungen wurden von der maltesischen Rettungsleitstelle wiederholt abgelehnt. Die italienische Leitstelle antwortet auf eine entsprechende Anfrage nicht. Die maltesische Seenotleitung teilte dem Schiff zudem per Mail mit, dass die Menschen an Bord der ALAN KURDI für sie keinen Notfall darstellen.

Die Seenotleitstellen in Rom, Malta und Bremen weisen seit Samstagmittag die Verantwortung von sich und erklären jeweils eine andere Leitstelle für zuständig. Die deutsche Seenotleitstelle MRCC Bremen verwies nach der Rettung sogar an die libysche Navy, obwohl sich das Schiff inzwischen in der maltesischen Koordinierungszone befand.

„Wir sind entsetzt über die Verantwortungslosigkeit europäischer Seenotleitstellen. Die Leitstellen verweigern sich förmlich und unterlaufen ihre Pflicht, die Rettung zu koordinieren und uns einen sicheren Hafen zuzuweisen. Noch nicht einmal kollabierte Personen können vom Schiff evakuiert werden. Uns gehen die Superlative für die Ignoranz Europas aus”, sagt Julian Pahlke, Sprecher von Sea-Eye.

Am Montagmorgen sind an Bord der ALAN KURDI zwei weitere Person kollabiert. Auf das Ersuchen des Schiffes bei den drei Seenotleitstellen kam erneut keine Antwort.

„Wir sind ausgerüstet wie ein moderner Krankenwagen, aber wir können bald nicht mehr für die Gesundheit aller Menschen garantieren. Die Geretteten sind durchweg in schlechter Verfassung. Mit unseren Bordmittel werden wir die Situation in absehbarer Zeit nicht mehr bewältigen können”, sagt die Bordärztin der ALAN KURDI, Barbara Hammerl-Kraus.

„Wir befürchten an Bord das Schlimmste. Wir haben das Auswärtige Amt darum gebeten, dass man die italienischen und maltesischen Partner auf die humanitäre Dringlichkeit hinweist. Es kann nicht sein, dass europäische Leitstellen telefonisch nicht erreichbar sind und sich schlicht verweigern. Deutschland muss darauf drängen, dass internationale Gesetze und seerechtliche Verpflichtungen eigehalten werden, statt sich für rein medienwirksame, sogenannte Deals zu feiern”, fügt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye hinzu.

Erstmalig war die maltesische Rettungsleitstelle für die Einsatzleitung von Sea-Eye telefonisch nicht mehr erreichbar. Ebenfalls neu ist, dass Italien an die Zuständigkeit der deutschen Rettungsleitstelle in Bremen verweist und dort um die Koordinierung bittet.

„Offenbar leidet auf Malta nicht nur die Regierung unter Auflösungserscheinungen. Die Rettungskette dieser beiden Mittelmeeranrainer hat sich in Luft aufgelöst hat“, sagt Isler weiter.