An Bord der SEA-EYE 4 erzählte Monique unserem Crewmitglied Fiona kurz vor Weihnachten ihre erschütternde Geschichte. Sie gibt uns einen Einblick in das Schicksal der jungen Frau, die Gefahren auf der Flucht sowie die Hölle in Libyen.
„Meine Mutter ist aus Sierra Leone und mein Vater aus Mali. Ich wurde als uneheliches Kind geboren. Als ich etwa fünf Jahre alt war, entführte mich mein Vater und wir gingen nach Mali. Dann kam der Krieg und er ging allein in die USA. Ich blieb bei meiner Großmutter. Sie hat mich schlecht behandelt. Meine Mutter suchte nach mir, meine Mutter wusste nicht, wo ich war, und ich hatte keine Nachricht von meinem Vater.
In Mali musste ich mit 15 Jahren heiraten. Ich habe eine arrangierte Ehe bekommen. Der Mann, der mich heiratete, schlug mich den ganzen Tag. Wir bekamen drei Kinder, das dritte wurde als Frühgeburt geboren. Das erste Kind bekam ich mit 15 Jahren und mein letztes Kind mit 20 Jahren.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte… Wenn ich bei meinem Mann bleibe, schlägt er mich, wenn ich zu meiner Familie zurückkehre, schickt sie mich weg… Ich kam aus einem winzigen Dorf in Mali, ich hatte kein Geld mehr. Ich floh vor meiner arrangierten Ehe mit einer meiner Töchter. Eine alte Dame, die mit uns eine Wohnung teilte, kümmerte sich um mich. Dann erzählte mir jemand, dass meine Mutter gestorben war. Ich hörte, sie sei obdachlos gestorben.
Ich lernte auf Facebook einen nigerianischen Mann kennen, der in Belgien lebte, und wir verliebten uns ineinander. Ich versuchte über das Mittelmeer zu kommen. Aber dann wurde ich erwischt und kam ins Gefängnis.
Dort habe ich eine Menge gesehen. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber der Schmerz ist zu groß. Sie misshandelten mich, sperrten mich ohne Essen ein. Wenn du krank wirst, wirst du dort sterben. Und wenn du dann nach Hause willst, kannst du nicht mehr zurück.
Sie vergewaltigten Mädchen vor aller Augen.
Einmal suchten sie sich ein Mädchen aus und baten einen Mann, vor allen Leuten mit ihr zu schlafen. Sie hatte keine andere Wahl, denn sie hatten eine Kalaschnikow in der Hand. Er schlief mit dem Mädchen vor allen Leuten, nur weil sie schwarz war. Es gab einen Mann, der seine schwangere Frau mit seinen beiden Kindern beerdigte. Dann wurde er krank… sein ganzer Körper war abgemagert, aber sie ließen ihn nicht raus, weil er kein Geld hatte. Er starb im Gefängnis, er hatte keine Hoffnung mehr. Auf Leute, die versuchen zu fliehen, wird geschossen. In meiner Zelle sind einige Leute gestorben. Einmal hat einer versucht zu fliehen und sie haben ihn vor unseren Augen so schwer geschlagen, dass sein ganzer Körper mit Blut bedeckt war.
Es sind dieselben, die dir bei der Überfahrt helfen und dann dieselben, die dich ins Gefängnis bringen. Sie fangen dich auf dem Meer, sie misshandeln dich. Sie fangen dich zu Hause, sie misshandeln dich auf der Straße, sie misshandeln dich. Sie sagen dir, du sollst zu Hause anrufen und nach Geld fragen. Sie verlangen 1000, 1500 Euro. Und selbst wenn du diese Summe gibst, können sie immer noch zurückkommen. Im Gefängnis kann man Schwarze kaufen. Ein Typ wollte mich, er wollte eine sexuelle Beziehung haben. Er hat 1000 Euro bezahlt, damit ich aus dem Gefängnis komme. Aber ich wollte ihn nicht, also bin ich geflohen.“
Monique*, 25 Jahre aus Sierra Leone wurde zusammen mit 223 Menschen auf der Weihnachtsmission der SEA-EYE 4 gerettet und an Heilig Abend sicher in Pozzallo an Land gebracht.
*Name und persönliche Daten wurden zum Schutz ihrer Person geändert.