Bundesrat berät über Rückführungsverbesserungsgesetz

Am Freitag, den 02.02.2024 wird der Bundesrat unter Punkt 7 über das Rückführungsverbesserungsgesetz abschließend beraten. Das Gesetz enthält laut Einschätzung von Fachjurist*innen weiterhin Formulierungen, die dazu führen könnten, dass ausgerechnet die Rettung von unbegleiteten Kindern aus Seenot künftig strafbar wird. Die Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea-Eye e.V. ist über die möglichen Auswirkungen des Gesetzes bestürzt und darüber besorgt, dass das Gesetz trotz rechtzeitiger Warnung und fundierter Kritik von Rechtsexpert*innen im Deutschen Bundestag von den Fraktionen der Ampelregierung verabschiedet worden ist.

Aus Gesprächen mit mehreren Bundestagsabgeordneten haben wir in der vergangenen Woche erfahren, dass man die Perspektive der Expert*innen durchaus nachvollziehen könne. Und obgleich man den Standpunkt vertreten kann, dass das Retten von Kinderleben kriminalisiert werden könnte, so habe man dazu aber selbst eine andere Rechtsauffassung. Das irritiert uns sehr, denn Rechtssicherheit vermitteln solche Aussagen definitiv nicht“, sagt Dr. Annika Fischer, Juristin und Vorständin von Sea-Eye e.V.

Eine abweichende Rechtsauffassung kann hier nur vertreten, wer die Augen vor der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verschließt. Dieser vertritt nämlich die Position, dass die ausdrückliche Bezugnahme in § 96 Abs. 4 AufenthG auf § 96 Abs. 2 AufenthG zur Konsequenz hat, dass es nicht darauf ankommt, ob die Hilfeleistung aus eigennützigen oder altruistischen Motiven erfolgt. Natürlich kann man als Gesetzgeber darauf hoffen, dass der Bundesgerichtshof diese Position einschränkt. Aber eine rechtssichere Regelung sieht anders aus“, sagt Prof. Dr. Aziz Epik, Juniorprofessor für Strafrecht, Internationales Strafrecht und Kriminologie an der Universität Hamburg.

Prof. Dr. Valentin Schatz, Juniorprofessor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Leuphana Universität Lüneburg

Falls die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgehen, dass Hilfeleistungen von der geplanten Fassung des § 96 Abs. 4 AufenthG tatbestandlich erfasst sind, bleibt allein die Möglichkeit einer strafrechtlichen Rechtfertigung als Notstand gem. § 34 StGB. Wie wir in unserem Gutachten zum Gesetzentwurf dargelegt haben, sollte § 34 StGB im Einklang mit dem internationalen und deutschen Seenotrettungsrecht zwar so ausgelegt werden, dass das Verhalten von Seenotretter:innen gerechtfertigt ist. Diese Position ist jedoch weder unstreitig noch ist die künftige Rechtspraxis insoweit hinreichend antizipierbar.

Es bleibt also bei einer Kriminalisierungsgefahr, die bereits für sich genommen die Arbeit von Seenotrettungsorganisationen gefährdet“, sagt Prof. Dr. Valentin Schatz, Juniorprofessor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Leuphana Universität Lüneburg.

Sea-Eye e.V. fordert den Bundesrat dazu auf, den Vermittlungsausschuss anzurufen und, falls dies nicht zu einer Nachbesserung führt, Einspruch gegen das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz in der derzeitigen Form einzulegen.

Es ist sehr besorgniserregend, dass die Warnungen von Expert*innen in den Fraktionen der Ampel-Parteien zuletzt unberücksichtigt blieben und das Rückfühungsverbesserungsgesetz trotz besseren Wissens im Bundestag beschlossen worden ist. Es muss aber weiter ausgeschlossen werden können, dass humanitäre Hilfe in Deutschland kriminalisiert wird. Der Gesetzgeber darf in einer liberalen Demokratie nicht gegen eine lebendige und solidarische Zivilgesellschaft agieren. Diese Form der Kriminalisierung wird Menschen davon abschrecken, sich für schutzsuchende Menschen einzusetzen. Der Bundesrat muss das verhindern, weil der Bundestag an dieser Stelle Unklarheiten geschaffen hat“, fordert Fischer.

Osnabrück Rettet

Starker Rückenwind für Regensburger Seenotretter*innen aus dem Norden

Seit Anfang April 2023 wird in der Osnabrücker Zivilgesellschaft dafür geworben, die Aktion „Osnabrück Rettet“ zu unterstützen. Nachdem die Stadt bereits 2021 eine Patenschaft für die SEA-EYE 4 übernommen hatte, war es das Ziel der von der lokalen Seebrücke-Gruppe initiierten Kampagne, eine Woche einer Rettungsmission vollständig zu finanzieren. 

Der Rat der Stadt Osnabrück hatte dabei als Kommune beschlossen, jeden gespendeten Euro aus der Zivilgesellschaft bis zu einer Gesamthöhe von 20.000 € durch Mittel der Stadt zu verdoppeln. Dieses Ziel wurde bis zum Ende des Kampagnenzeitraums deutlich von den Menschen in Osnabrück übertroffen und so sind insgesamt 65.000 € für die zivile Seenotrettung aus Osnabrück an die in Regensburg gegründete Seenotrettungsorganisation Sea-Eye e. V. gespendet worden, um mit dem Patenschiff SEA-EYE 4 gegen das Sterben von flüchtenden Menschen im Mittelmeer anzugehen.

Die Stadt Osnabrück freut sich sehr über das Engagement in der Stadtgesellschaft, die sich somit ganz im Sinne unserer Friedensstadt klar auf die Seite von Menschenrechten und gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung stellt”, sagt Erster Stadtrat Wolfgang Beckermann. 

Besonders der Organisationskreis und die Mitarbeiter*innen von Sea-Eye e. V. freuen sich über dieses Ergebnis. Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V., ist zuversichtlich, dass sich weitere Kommunen anschließen und Osnabrück damit ein Vorbild werden kann:

Die Menschen von Osnabrück haben ganz konkret Verantwortung übernommen und unterstützen ein Schiff, das in den vergangenen zwei Jahren mehr als 1.200 Menschenleben gerettet hat.”

Die Stadt Osnabrück gehört damit zu einer ganzen Reihe von Kommunen, die Sea-Eye unterstützen. Zu ihnen zählen Konstanz, Greifswald, Rostock, Potsdam, Bonn, Mannheim u.v.m.

Kommunales Engagement in der Seenotrettung ist ein wichtiger Bestandteil einer humanitären und politischen Lücke. Wie Leuchttürme können Kommunen auf diese Weise zeigen, dass sie das brutale Grenzregime der EU-Mitgliedsstaaten ablehnen. Und es ist wichtig, genau das klarzustellen”, sagt Isler weiter.

„Mit dieser Spendenaktion wollten wir neben den wichtigen politischen Stellungnahmen auch praktische Solidarität mit der Seenotrettung üben und dieses wichtige Thema weiter in der Öffentlichkeit halten”, sagt Michael Bünte, Sprecher der Seebrücke Osnabrück. 

Eine Abschlussveranstaltung mit symbolischer Scheckübergabe findet am 29. Januar um 16.30 Uhr im historischen Friedenssaal der Stadt Osnabrück statt.