144 Menschen benötigen dringend sicheren Hafen
Nach einer vorangegangenen Rettung von 84 Menschen am Donnerstagvormittag (07.03.2024) befand sich das Seenotrettungsschiff SEA-EYE 4 auf dem Weg nach Ancona. Zwei Notrufe unterbrachen seitdem die Anfahrt zum zugewiesenen Hafen: Während im ersten Fall die italienische Küstenwache die Bergung übernehmen konnte, rettete die SEA-EYE 4 Freitagnacht 61 Menschen unter schwierigsten Bedingungen. Die Notevakuierung eines Patienten mit Treibstoffvergiftung erfolgte in den Morgenstunden nach einem gescheiterten Versuch bei Nacht. Die Situation an Bord bleibt kritisch, insbesondere für zwei Säuglinge in einem fragilen Zustand. Angesichts dieser Entwicklungen bleibt die Zuweisung eines näheren, sicheren Hafens für die Ausschiffung der nun insgesamt 144 Überlebenden an Bord dringend.
Zum Hintergrund:
Bereits am Donnerstagvormittag rettete die SEA-EYE 4 84 Menschenleben und befand sich auf dem Weg nach Ancona. Die vier Tage entfernte italienische Hafenstadt wurde dem Schiff zuvor von den italienischen Behörden als Hafen zur Ausschiffung der 84 Geretteten zugewiesen.
In der Nacht zum Freitag (08.03.2024) empfing die SEA-EYE 4 einen weiteren Notruf über das Alarmphone, das die Behörden und das Sea-Eye Rettungsschiff über einen Hilferuf in der maltesischen Such- und Rettungszone informierte. Einsatzleiterin Julie Schweickert bot den maltesischen Behörden Unterstützung an, erhielt von dort aber keine Antwort. Die italienischen Behörden gestatteten der SEA-EYE 4, die Anfahrt auf Ancona zu unterbrechen, um nach den schutzsuchenden Menschen zu suchen. Gegen Freitagmittag (08.03.2024) gelang es der SEA-EYE 4 Besatzung, das Boot mit rund 50 Insassen zu finden. Nahezu zeitgleich traf die italienische Küstenwache ein, rettete die Menschen und brachte sie nach Lampedusa. Die SEA-EYE 4 nahm wieder Kurs auf den Hafen von Ancona.
Wenige Stunden später empfing die SEA-EYE 4 erneut einen Notruf über das Alarmphone. Es handelte sich wieder um eine Position in der maltesischen Such- und Rettungszone. Die maltesische Rettungsleitstelle war wie zuvor nicht für die Sea-Eye-Einsatzleiterin Julie Schweickert erreichbar. Unter erneuter Koordinierung der italienischen Rettungsleitstelle und mit der Genehmigung, die Anfahrt auf Ancona ein weiteres Mal zu unterbrechen, änderte die SEA-EYE 4 den Kurs in die entgegengesetzte Richtung und die Besatzung begann mit der Suche. Nach rund 5 Stunden konnte das Boot unter schwierigen Bedingungen gefunden werden.
„Es befanden sich 61 Personen in einem seeuntüchtigen Holzboot, das aufgrund der über ihm zusammen brechenden Wellen sehr viel Wasser aufnahm und zu kentern drohte. Der Seegang machte die gesamte Rettung zu einer großen Herausforderung. Doch unser Team des Rettungsbootes konnte alle Menschen sicher bergen”, sagt Julie Schweickert, Einsatzleiterin an Bord der SEA-EYE 4.
Nach der Rettung von 61 Menschen befinden sich nun 144 Überlebende aus zwei Seenotfällen an Bord und der sichere Hafen von Ancona ist weiterhin 4 Seetage entfernt. Das Hospital Team von German Doctors e.V. und Sea-Eye e.V. ist im Dauereinsatz.
„Wir hatten einen Patienten, dem es sehr schlicht ging. Er musste mit Sauerstoff versorgt werden und hatte eine Körpertemperatur von gerade noch 32 Grad. Der Patient litt unter einer Treibstoffvergiftung, weil er zu viele Benzindämpfe eingeatmet haben muss. Malta schickte in der Nacht einen Helikopter, um den Patienten nach Malta zu evakuieren. Doch die unter schwierigen Wetterbedingungen stattfindende Evakuierung wurde vom Piloten abgebrochen. Erst am Samstagmorgen gelang es der Besatzung eines italienischen Helikopters, den Patienten nach Italien auszufliegen”, sagt Dr. Gerd Klausen, Bordarzt für German Doctors an Bord der SEA-EYE 4 und fügt hinzu: “Wir machen uns große Sorgen um zwei Babys, die weiterhin nicht gut trinken. Beide sind sehr schwach. Sie sind sechs und zwölf Monate alt. Ein Baby hat Fieber.”
Die SEA-EYE 4 hat ihren Kurs und die Anfahrt auf den Hafen von Ancona am Samstagmorgen (09.03.2024) wieder aufgenommen. Aufgrund mehrerer Seenotfälle seit Donnerstag ist das Schiff dem Hafen von Ancona aber noch nicht sehr viel näher gekommen.
„84 Gerettete, darunter Familien mit Kindern und Babys, verbrachten bereits zwei Nächte an Bord. Nun sind 61 weitere Menschen hinzugekommen. Eine Person wurde evakuiert. Wir bitten Italien nun eindringlich darum, uns einen näher gelegenen Hafen zuzuweisen. In den kommenden 48 Stunden wird das Wetter umschlagen. Ein Rettungsschiff ist nicht der richtige Ort, um so viele vulnerable Personen bis zu 6 Tage und Nächte unterzubringen. Wir benötigen wirklich dringend den nächstgelegenen, sicheren Ort zur Ausschiffung aller Überlebenden”, sagt Jan Ribbeck, Director of Mission, des laufenden Einsatzes für Sea-Eye e.V.