Italien eskaliert Strafen gegen Rettungsschiff SEA-EYE 4
60 Tage Festsetzung aufgrund Verhinderung eines illegalen Pushbacks
Nach der Rettung von insgesamt 145 Personen aus Seenot während zwei Einsätzen am 7. und 8. März setzten italienische Behörden am 11. März das Schiff SEA-EYE 4 für 60 Tage fest und belegten es mit einer Geldbuße von 3.333 Euro. Die Begründung dazu ist nicht haltbar, denn der SEA-EYE 4 ist es völkerrechtlich nicht erlaubt, sich an einem Pushback ins Bürgerkriegsland Libyen zu beteiligen. Dies wäre der Fall gewesen, hätte sie ihre vorangeschrittene Rettung unterbrochen und die 84 Schutzsuchenden an die hinzugekommene, sogenannte libysche Küstenwache übergeben, welche mit Waffen auf das Einsatzboot zielte. De facto bestraft Italien zum wiederholten Male Rettungsschiffe dafür, sich an geltendes Völkerrecht zu halten. Sea-Eye wird sich wie bei früheren Festsetzungen juristisch gegen die Blockade wehren.
Italiens oberstes Berufungsgericht bestätigte erst im Februar diesen Jahres, dass Pushbacks nach Libyen völkerrechtswidrig sind und bekräftigte damit die strafrechtliche Verurteilung eines Kapitäns, der 2018 flüchtende Menschen zurück nach Libyen gebracht hatte. Schutzsuchende Menschen dürfen nicht in den jahrelangen, grausamen Bürgerkrieg, aus dem sie geflohen sind, zurückgebracht werden. Denn die Liste an schweren Menschenrechtsverletzungen (bspw. Folter, Sklaverei, Vergewaltigung, willkürliche Hinrichtungen), denen flüchtende Menschen dort ausgesetzt sind, ist lang.
Nun bestraft Italien die SEA-EYE 4 und zwei weitere deutsche Seenotrettungsschiffe, die bereits festgesetzt wurden, dafür, sich nicht an Anweisungen der sogenannten libyschen Küstenwache gehalten zu haben. Diese Anweisungen hätten jedoch zu einer Beteiligung an Pushbacks geführt, denn die sogenannte libysche Küstenwache bringt die flüchtenden Menschen zurück in den Bürgerkrieg. Die Rechtswidrigkeit dieser Handlung zeigt sich insbesondere in Berichten über Menschenrechtsverletzungen, die Menschen nach einem Pushback in Libyen erleiden mussten.
„Obwohl es illegal und zutiefst unmenschlich ist, Menschen in einen blutigen Konflikt zurückzubringen, aus dem sie geflohen sind, fordert Italien von deutschen Seenotrettungsorganisationen, sich genau daran zu beteiligen. Unsere Weigerung, bei diesen abscheulichen Verschleppungen mitzumachen, wird mit Schiffsblockaden und Geldbußen bestraft. Dabei ist nur Deutschland als Flaggenstaat berechtigt, unser Schiff für Fehlverhalten in internationalen Gewässern zu sanktionieren. Nachdem nun drei deutsche Seenotrettungsschiffe in Italien festgesetzt sind, ist es an der Bundesregierung, sich endlich einzuschalten und für die humanitären Einsätze deutscher Rettungsschiffe auch politisch einzustehen“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.
Den Seenotfall am 7. März, der zur Festsetzung führte, hatte die SEA-EYE 4 zuerst gefunden und während der Suche keinen Kontakt zur sogenannten libyschen Küstenwache herstellen können. Als die Rettung bereits fortgeschritten war und Menschen aus dem seeuntüchtigen Schlauchboot evakuiert waren, erschienen zwei Küstenwachenschiffe am Einsatzort und verlangten, den Einsatz abzubrechen. Dabei zielte die sogenannte libysche Küstenwache mit Waffen auf die Crew des Einsatzboots. Die Crew der SEA-EYE 4 deeskalierte die Situation und brachte alle Menschen auf ihrem Rettungsschiff in Sicherheit. Am 10. März konnten alle geflüchteten Menschen in Reggio Calabria an Land gehen, wo die SEA-EYE 4 nun festgesetzt ist. Es handelt sich um die bisher längste Verwaltungshaft gegen ein Seenotrettungsschiff aufgrund des Piantedosi-Dekrets.