Am 25. August 2014 reagierte die Migrant Offshore Aid Station (MOAS) als erste zivile Seenotrettungsorganisation mit einem Rettungseinsatz auf die hohe Zahl an Schiffsunglücken und Todesfällen im Mittelmeer.

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der zivilen Seenotrettung im zentralen Mittelmeer fordert die Hilfsorganisation Sea-Eye die Europäische Union auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und ein umfassendes staatliches Seenotrettungssystem aufzubauen. Denn im selben Jahr, in dem MOAS in den Einsatz startete, stellte auch die italienische Marineoperation Mare Nostrum ihre Arbeit ein. Seitdem gibt es im Mittelmeer keine staatlich organisierte Seenotrettung mehr. Stattdessen begann die Operation Triton unter der Leitung der EU-Grenzagentur Frontex, deren Fokus jedoch nicht auf der Rettung von Schutzsuchenden, sondern auf der Grenzsicherung lag. In den vergangenen zehn Jahren haben mehrere private Organisationen zahlreiche Menschenleben gerettet – die humanitäre Krise ist allerdings nach wie vor ungelöst.

„In den letzten zehn Jahren haben zivile Seenotrettungsorganisationen die Verantwortung übernommen, die grundsätzlich bei den EU-Mitgliedsstaaten liegt. Politisch hat sich in dieser Zeit viel verändert, doch die humanitäre Situation im Mittelmeer ist nach wie vor katastrophal. Statt auf staatlich organisierte Seenotrettung zu setzen, wird die Abschottung Europas weiter vorangetrieben. Gesetze gegen zivile Seenotrettungsorganisationen wurden in Italien kreiert und das Schlimmste: Noch immer sterben jedes Jahr tausende Menschen auf der Suche nach Asyl und Schutz“, erklärt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V. „Die EU-Mitgliedstaaten müssen aufhören, unsere Arbeit zu kriminalisieren und endlich eine europäische staatliche Seenotrettung aufbauen, die den klaren Auftrag hat, möglichst vielen Menschen im Mittelmeer das Leben zu retten!“

Sea-Eye wurde im Herbst 2015 gegründet und startete im darauffolgenden Frühjahr mit den ersten Rettungseinsätzen. Trotz des Engagements ziviler Seenotrettungsorganisationen gilt die Fluchtroute über das Mittelmeer als die gefährlichste der Welt. Laut dem Missing Migrant Project der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit 2014 mehr als 30.000 Menschen im Mittelmeer verschwunden oder gestorben. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.

Am 22. Juli taufte die Oscar-nominierte Schauspielerin unseren neuen Rettungskreuzer, die SEA-EYE 5. Nach der offiziellen Zeremonie haben wir mit ihr gesprochen – darüber, warum sie sich für die zivile Seenotrettung engagiert und was sie sich diesbezüglich von der Politik wünscht.

Für uns steht fest: Mit dir haben wir eine großartige Taufpatin für die SEA-EYE 5 gewonnen. Was hat dich persönlich dazu bewegt, diese Aufgabe  zu übernehmen?

Ich kenne ein Mitglied von Sea-Eye seit vielen Jahren. Wir hatten uns aus den Augen verloren und er hat über meine Agentur angefragt, ob es nicht eine Aufgabe für mich wäre, mehr Aufmerksamkeit für die Organisation und das Schiff selbst zu generieren. Für mich war das überhaupt keine Frage – mir war klar, dass ich da mitmachen wollte. Das einzige, was wir noch finden mussten, war einen Termin und einen Ort für die Taufe, der für alle passt.

Wie siehst du die Rolle von Künstler*innen und Prominenten bei der Sensibilisierung für Themen wie die zivile Seenotrettung?

Natürlich kann ich nicht für andere sprechen. Ich denke, jede Person muss für sich selbst entscheiden, inwieweit sie ihre Öffentlichkeit oder ihre Position nutzt, um für die Themen zu sprechen, die ihr am Herzen liegen. Für mich wäre es ein komisches Gefühl, in der Öffentlichkeit zu stehen und dann zu Dingen zu schweigen, die einfach nicht richtig sind. Deshalb ist mir dieses Projekt auch so wichtig.

Dein Terminkalender ist voll. Woher nimmst du die Energie, dich zusätzlich gegen Rechtsextremismus oder gegen das Sterben im Mittelmeer zu engagieren?

Mein voller Terminkalender ist nicht annähernd vergleichbar mit den Problemen der Menschen, die von rechter Gewalt betroffen sind oder auf dem Mittelmeer ums Überleben kämpfen. Deshalb ist es für mich selbstverständlich, dass ich mich für sie einsetze.

Welche Veränderungen wünschst du dir für Schutzsuchende im Mittelmeer?

Ich wünsche mir, dass die europäischen Regierungen erkennen, dass die Fluchtbewegungen auch von Europa ausgelöst werden. Dass entsprechend gehandelt wird, dass Verantwortung übernommen wird – und dass diese Fluchtbewegungen als das gesehen werden, was sie sind, und nicht als Luxusprobleme von Menschen, die angeblich immer mehr wollen. Diese Zuschreibungen, die es in manchen Teilen der Presse gibt, müssen aufhören. Ich würde mir wünschen, dass hier genauer hingeschaut wird – beispielsweise: Was sind Fluchtursachen? Die Politik kennt die Antworten darauf und warum sie nicht entsprechend handelt, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Aber das wünsche ich mir: Dass endlich Fluchtursachen bekämpft werden.

Damit die SEA-EYE 5 zeitnah im Mittelmeer Menschenleben retten kann, brauchen wir neben einer Taufpatin noch viel mehr Menschen, die sich engagieren. Wie kann man helfen, die SEA-EYE 5 in den Einsatz zu schicken?

Es gibt ein Spendenprojekt für die SEA-EYE 5: Jede*r kann eine*r von 3.000 Schiffspat*innen werden und einen monatlichen Betrag leisten, damit dieses Schiff einsatzbereit wird. Übrigens: Ich habe das Formular auf der Website bereits ausgefüllt – ich bin auch schon Schiffspatin!