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Sea-Eye siegt vor italienischem Gericht gegen Italien

Richter erklärt 60-tägige Festsetzung im März 2024 für unrechtmäßig

Das Gericht in Reggio Calabria hat in einer Verhandlung am Mittwochmorgen der Klage von Sea-Eye e.V. stattgegeben und eine 60-tägige Festsetzung der SEA-EYE 4 vom März 2024 für unrechtmäßig erklärt. Die Vorwürfe, die Besatzung des Schiffs habe die Anweisungen der sogenannten libyschen Küstenwache nicht befolgt, sah der Richter als nicht erwiesen an.

Das Urteil von Reggio Calabria ist ein bedeutender Sieg für uns – und für alle anderen Seenotrettungsorganisationen! Es zeigt ganz deutlich, dass es sich bei den Festsetzungen ziviler Rettungsschiffe um den Missbrauch staatlicher Machtbefugnisse handelt. Wir brauchen jetzt dringend die politische Unterstützung der Bundesregierung, denn Italien missachtet mit seinen rechtswidrigen Festsetzungen deutscher Rettungsschiffe auch die Rechte unseres Flaggenstaates. Wir bitten die zuständigen Ministerien eindringlich darum, das Urteil zum Anlass zu nehmen, sich für ein Ende dieser Praxis in Italien einzusetzen”, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V. 

Als Grund für die Festsetzung der SEA-EYE 4 gaben die italienischen Behörden an, dass das Schiff am 7. März den Anweisungen der sogenannten libyschen Küstenwache, die laut Bericht von Augenzeugen mit Waffen auf das Einsatzboot zielte, nicht Folge geleistet und die Schutzsuchenden nicht an diese übergeben habe. Die SEA-EYE 4 hatte während des Einsatzes insgesamt 84 Menschen aus Seenot gerettet. Erst im Februar dieses Jahres hatte das oberste italienische Berufungsgericht die Übergabe von Menschen an die sogenannte libysche Küstenwache als Straftat eingestuft, da das Bürgerkriegsland Libyen aufgrund schwerer Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Sklaverei, Vergewaltigungen und willkürlichen Hinrichtungen kein sicherer Ort sei. Die 60-tägige Festsetzung der SEA-EYE 4 war die bislang längste Verwaltungshaft gegen ein Seenotrettungsschiff, die aufgrund des sogenannten Piantedosi-Dekrets verhängt wurde. Das Anfang 2023 in Italien in Kraft getretene Gesetz schreibt Schiffen beispielsweise vor, nach einer erfolgten Rettung sofort mit der italienischen Leitstelle Kontakt aufzunehmen und sich einen Hafen zuweisen zu lassen, ohne auf weitere Notrufe zu reagieren. 

Allein zwischen Juni 2023 und Juni 2024 wurde die SEA-EYE 4 insgesamt 120 Tage in Italien festgesetzt. Sea-Eye hat schon mehrmals gegen rechtswidrige Festsetzungen geklagt. Die Urteile verzögern sich oft um mehrere Jahre: Insgesamt sind derzeit noch fünf weitere Gerichtsverfahren anhängig. Die Prozesse sind für den eingetragenen Verein mit hohen Kosten und zusätzlichen Aufwand verbunden. Der nächste Gerichtstermin für eines der laufenden Verfahren findet am 20. Juni statt – es geht um die bereits fast vier Jahre zurückliegende Festsetzung der ALAN KURDI. Das Rettungsschiff war vor der SEA-EYE 4 für den Verein im Einsatz und hat zwischen 2018 und 2021 insgesamt 927 Menschen aus Seenot gerettet.