Bisher größter Einsatz der SEA-EYE 5: 144 Menschen gerettet
Zehn Jahre nach dem Tod von Alan Kurdi zwingt der Mangel an sicheren Fluchtwegen Menschen bis heute zur Flucht über das Mittelmeer
Am Sonntagmorgen gegen 9 Uhr erreichte die Besatzung der SEA-EYE 5 einen Seenotfall, den die Organisation Alarm Phone gemeldet hatte. Innerhalb weniger Stunden konnte die Crew 144 Personen retten, die tagelang auf einem seeuntüchtigen Holzboot im Meer getrieben waren.
Dr. Giovanni Cappa, Einsatzarzt von German Doctors an Bord der SEA-EYE 5, berichtet:
„Einige der Menschen an Bord waren dehydriert und unterernährt. Unter den Geretteten befand sich auch eine schwangere Frau. Der Zustand mehrerer Menschen war kritisch und erforderte sofortige medizinische Hilfe. Dies war eine Herausforderung für die gesamte Besatzung, die sich um die Versorgung kümmern und gleichzeitig eine so große Anzahl von Menschen in Not betreuen musste.“
Der kritische Zustand zweier Personen erforderte eine medizinische Evakuierung. Die beiden medizinischen Notfälle wurden gemeinsam mit 51 weiteren Personen südlich von Lampedusa von einem Schiff der italienischen Küstenwache übernommen.
Die SEA-EYE 5 wurde nach dem Einsatz von den italienischen Behörden angewiesen, die verbleibenden rund 100 Personen zum etwa 40 Stunden entfernten Hafen von Tarent zu bringen. Da der Rettungskreuzer nicht für einen Transfer einer derart großen Menge an Menschen über eine so weite Distanz ausgelegt ist, hat die Crew wiederholt bei den italienischen Behörden darum gebeten, einen nähergelegenen Hafen ansteuern zu dürfen – vergeblich.
„Obwohl wir sie fortwährend unterstützen, sind die Menschen an Bord gezwungen, aufgrund des weit entfernten Ausschiffungshafens über einen längeren Zeitraum hinweg extreme Temperaturen auf dem Deck und sehr beengte Platzverhältnisse zu ertragen. Unter diesen Bedingungen kann sich ihr Gesundheitszustand nur verschlechtern,“ mahnt Dr. Giovanni Cappa.
Die italienische Seenotrettungsleitstelle schickte am späten Montagnachmittag ein Marineschiff, das die SEA-EYE 5 nach Tarent eskortieren soll.
„Morgen ist der zehnte Todestag von Alan Kurdi, seinem Bruder Ghalib und seiner Mutter Rehanna. Es ist beschämend, dass wir zehn Jahre später immer noch keine legalen Fluchtwege geschaffen haben, sondern Menschen auch im Jahr 2025 immer noch gezwungen sind, lebensgefährliche Fluchten über das zentrale Mittelmeer auf sich zu nehmen. Europäische Regierungen haben nicht nur versäumt, eine staatliche Seenotrettung aufzubauen, sondern behindern zudem aktiv die Arbeit der zivilen Helfer*innen. Dass sie sich dabei besonders kreative Schikanen überlegen, die dazu führen, dass die geretteten Menschen, nach allem, was sie durchgemacht haben, weiterem Stress und gesundheitsgefährdenden Strapazen ausgesetzt werden, ist einfach perfide,“ sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.