Sea-Eye klagt gegen Italien wegen unrechtmäßiger Festsetzung der SEA-EYE 4
Klage gegen italienisches Verkehrsministerium am Zivilgericht von Chieti
Die deutsche Seenotrettungsorganisation Sea-Eye reichte am 30. Juni beim Zivilgericht von Chieti Klage gegen die zwanzigtägige Verwaltungshaft der SEA-EYE 4 in Ortona und die damit verbundene Geldstrafe in Höhe von 3.333 € ein.
Nach der Rettung von 49 Menschenleben aus zwei unterschiedlichen Notrufen wurde das Rettungsschiff SEA-EYE 4 am 02.06.2023 von den italienischen Behörden für 20 Tage festgesetzt. Begründet wurde die Festsetzung mit einem Verstoß gegen ein am 24.02.2023 in Kraft getretenes italienisches Gesetz. So hätte die SEA-EYE 4 nach der ersten Rettung mit 17 geretteten Personen unverzüglich nach Ortona fahren sollen. Weitere Notrufe führten jedoch dazu, dass das Schiff seine Anfahrt auf Ortona unterbrechen musste, um nach Menschen in Seenot zu suchen. Die Besatzung des Schiffes rettete so 32 weitere Menschenleben und erreichte den Hafen von Ortona dennoch rechtzeitig.
Die italienischen Behörden nutzten das neue Gesetz bereits für die Festsetzung mehrerer deutscher Rettungsschiffe, nachdem die Schiffe entweder mehrere Rettungen durchführten oder näher gelegene, italienische Häfen anliefen, statt mehrtägige Anfahrten auf weit entfernte Seehäfen durchzuführen. Die Organisation Sea-Eye bat das Auswärtige Amt am 04.06.2023 aufgrund der Festsetzung der SEA-EYE 4 am 02.06.2023 formell um Unterstützung. Eine Intervention der deutschen Behörden blieb jedoch ergebnislos. Aus Rom teilte man dem Auswärtigen Amt lediglich mit, dass die „Intervention zur Kenntnis genommen wurde“, schrieb eine Ansprechperson des Auswärtigen Amtes der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye.
„Man muss sich klarmachen, dass dieses Gesetz explizit für Seenotrettungsorganisationen geschrieben worden ist. Es beinhaltet von Verstoß zu Verstoß eskalierende Strafen und könnte die zivile Seenotrettung zum Stillstand bringen“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.
Die SEA-EYE 4 konnte ihren dritten Einsatz in 2023 aufgrund der Festsetzung nicht wie geplant durchführen. Das Schiff wird nun im spanischen Burriana auf den nächsten Einsatz vorbereitet. Wird die SEA-EYE 4 ein weiteres Mal wegen eines Verstoßes gegen das neue Gesetz festgesetzt, drohen der Organisation eine Geldstrafe von bis zu 50.000 € und eine Festsetzung von bis zu sechs Monaten.
„Im Falle weiterer Notrufe werden wir so in ein moralisches Dilemma gezwungen. Führen wir eine zweite Rettung durch, riskieren wir die Festsetzung des Schiffes. Lassen wir Menschen aus irgendwelchen Gründen zurück, agieren wir genau wie die staatlichen Akteure selbst. Sea-Eye wird jedoch niemals Menschen zurücklassen“, sagt Isler weiter.
Droht das Ende der zivilen Seenotrettung?
Anne Daetz, aus dem Sea-Eye Legal Team, gibt in der Sea-Eye Academy eine juristische Einordnung der italienischen Abschottungspolitik.