„Für die EU gehören die vielen Toten zu einem brutalen Kalkül der Abschreckung”
Sea-Eye e.V. fordert anlässlich des 10-jährigen Endes der italienischen Marineoperation Mare Nostrum eine staatliche Rettungsoperation zur Seenotrettung im Mittelmeer
„Seit dem Ende von Mare Nostrum sind mehr als 27.000 Menschen im Mittelmeer gewaltsam ums Leben gekommen oder werden vermisst. Für die EU gehören die vielen Toten zu einem brutalen Kalkül der Abschreckung. Schließlich kann niemand mehr glaubhaft behaupten, dass ihm das Leid und die vielen Toten an den EU-Außengrenzen unbekannt sei. Und doch lässt die Politik es zu – Tag für Tag. Man muss sich klarmachen, dass es niemanden in Europa heute schlechter ginge, wenn diese Menschen sicher in Europa angekommen und mit offenen Armen empfangen worden wären. Europa wäre heute ein gerechterer Ort, wenn diese Menschen noch am Leben wären. Die EU muss nun endlich in die Verantwortung für die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer zurückkehren und menschenrechtsbasierte Lösungen finden. Deshalb fordern wir eine staatliche Marineoperation, deren Ziel es ist, so viele Menschenleben wie möglich zu retten und die Lücke zu schließen, die mit der Einstellung der Operation Mare Nostrum entstanden ist. Solange das nicht geschieht, gibt es Organisationen wie Sea-Eye, die zusammen den Teil der europäischen Bevölkerung vertreten, der für die Menschen einsteht, die sonst von der EU weiter schutzlos auf dem Meer zum Sterben zurückgelassen werden”, erklärt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.
Die italienische Marine startete die Operation Mare Nostrum am 18. Oktober 2013, nachdem sich vor Lampedusa zwei Bootsunglücke mit mehr als 600 Toten ereignet hatten. Sie rettete in knapp einem Jahr mehr als 150.000 Menschen im Mittelmeer das Leben. Am 31. Oktober 2014 wurde Mare Nostrum auf Drängen der EU beendet. Im Anschluss begann die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) mit der Operation Triton. Bei dieser stand jedoch nicht die Rettung von Schutzsuchenden, sondern die Grenzsicherung im Vordergrund – weshalb es seit nunmehr einem Jahrzehnt keine staatlich organisierte Seenotrettung im zentralen Mittelmeer mehr gibt. Stattdessen haben private und spendenfinanzierte Organisationen wie Sea-Eye e.V. diese Aufgabe übernommen. Trotz ihres unermüdlichen Einsatzes bleibt die humanitäre Krise im Mittelmeer, die jedes Jahr Tausende von Toten fordert, ungelöst.