Italien verzögert trotz prekärer humanitärer Lage Ausschiffung von 50 Geretteten des Rettungskreuzers SEA-EYE 5
Der zugewiesene Hafen in Vibo Valentia liegt über 295 Seemeilen entfernt.
Am Nachmittag des 06. Juni 2025 informierte die Organisation Alarm Phone die zuständigen Behörden und das Rettungsschiff SEA-EYE 5 über einen Seenotfall in der libyschen Sh- und Rettungszone. Gegen 20:00 Uhr erreichte die Besatzung der SEA-EYE 5 das in Seenot befindliche Schlauchboot und evakuierte die 50 Insassen. Trotz der begrenzten Bordkapazitäten des Rettungskreuzers wiesen die italienischen Behörden in der Folge Vibo Valentia als Hafen zu, der sich 295 Seemeilen vom Ort der Rettung entfernt befindet. Diese unverhältnismäßig lange Transitzeit stellt eine akute Belastung für die Gesundheit und Sicherheit aller Menschen an Bord dar. Die Geretteten sitzen unter freiem Himmel auf engstem Raum. An Bord gibt es keine Schlafmöglichkeiten, nur eingeschränkte sanitäre Infrastruktur und lediglich eine Grundversorgung mit Wasser und Lebensmitteln.
„Bereits bei ihrer Rettung waren die meisten Personen durchnässt, dehydriert, seekrank und stark erschöpft. Hinzu kamen mittlere bis schwere Sonnenbrände, Skabies sowie ältere Wunden und Rückenverletzungen. Der Allgemeinzustand verschlechtert sich mit zunehmender Fahrtdauer und wurde insbesondere in der zweiten Nacht wie von uns erwartet zunehmend schwieriger. Wellen schlagen über Bord, die Geretteten kauern sich unter ihren Decken zusammen. Frierend und durchnässt warten sie auf den Sonnenaufgang, der Wärme bringt.“, erklärt Merle Brinkhus, Bordärztin auf der SEA-EYE 5 für German Doctors e.V.
Aufgrund der sich stetig verschlechternden Lage an Bord bat die SEA-EYE 5 insgesamt vier Mal offiziell bei den zuständigen italienischen Behörden um Erlaubnis, die Geretteten in einem näher gelegenen Hafen an Land zu bringen. Dies wurde abgelehnt. Warum die aufgeführten gesundheitlichen und sicherheitsbedingten Gründe für eine geänderte Hafenzuweisung nicht anerkannt wurden, blieb unbeantwortet. Bei den letzten drei Missionen der SEA-EYE 5 haben die italienischen Behörden stets die humanitäre Situation anerkannt und den jeweiligen Anträgen auf Zuweisung eines näheren Hafens entsprechend stattgegeben.
Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V. betont: „Warum sie sich dieses Mal aktiv dagegen entschieden haben, ist uns unerklärlich. Die SEA-EYE 5 ist als Rettungskreuzer für derartig lange Transitzeiten weder ausgestattet noch geeignet. Mit ihrer Entscheidung, uns keinen näheren Hafen zuzuweisen, nehmen die italienischen Behörden schwerwiegende Gefahren sowohl für die geretteten Personen als auch für unsere Crew billigend in Kauf. Es gibt in Süditalien genug sichere Häfen, die in der Lage sind, Menschen auf der Flucht aufzunehmen.“
Die SEA-EYE 5 wird von Sea-Eye e.V. betrieben, einem Verein, der seit 2015 Rettungsschiffe im Mittelmeer betreibt und über 18.000 Menschen aus Seenot gerettet hat.