Nach vier Jahren Prozess: Sea-Eye gewinnt weitere Klage gegen Italien
Das oberste italienische Verwaltungsgericht (“Consiglio dello Stato”) hat am 17.10.2024 die von der Hafenbehörde in Olbia angeordnete Festsetzung aus dem Jahr 2020 gegen Sea-Eye’s damaliges Rettungsschiff ALAN KURDI für rechtswidrig erklärt. Sea-Eye e.V. kündigte an, Schadensersatz einzuklagen.
Die ALAN KURDI, ein ehemaliges Rettungsschiff von Sea-Eye, war am 9. Oktober 2020 im Hafen von Olbia festgesetzt worden, nachdem die Behörden bei einer achtstündigen Hafenstaatkontrolle angebliche Mängel festgestellt hatten. Zuvor hatten spanische und deutsche Fachbehörden das unter deutscher Flagge fahrende Schiff nach einer mehrwöchigen Werftzeit als einsatzbereit zertifiziert. Die Klage von Sea-Eye gegen die Festsetzung war nun in zweiter Instanz erfolgreich.
Der Richter entschied, dass für das Schiff nur die Anforderungen des Flaggenstaates gelten. Der Hafenstaat, in diesem Fall Italien, kann nur in außerordentlichen Fällen einschreiten, beispielsweise bei Gefahr für Leben und Umwelt. Dies war aber zu keinem Zeitpunkt der Fall. Die bei der Überprüfung festgestellten Mängel stünden nicht im Widerspruch zu den vom Flaggenstaat Deutschland ausgestellten Sicherheits- und Klassifikationszertifikaten. Darüber hinaus kannte er die Notsituation an, die sich aus der Rettung von 133 Menschen in Lebensgefahr ergab.
„Das Urteil von Olbia ist ein wichtiger Erfolg für Sea-Eye – und doch fühlt es sich an, wie eine bittere Niederlage. Die Schikanen italienischer Behörden gegen die ALAN KURDI zwangen uns zur Aufgabe dieses für uns so wichtigen Schiffes. Das Urteil beweist nun, dass die italienischen Behörden seit Jahren staatliche Machtbefugnisse missbrauchen, um gegen die zivile Seenotrettung vorzugehen. Wir werden gegen das zuständige Ministerium auf Schadensersatz klagen und unseren Widerstand gegen die repressive Politik Italiens auf dem Meer und vor Gericht fortsetzen”, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.
Die ALAN KURDI startete 2018 in ihren ersten Einsatz und war das erste zivile Rettungsschiff im Mittelmeer unter deutscher Flagge. Mit ihr führte Sea-Eye insgesamt zwölf Missionen im Mittelmeer durch und rettete 927 Menschen das Leben. Mehr als 240 Menschen leisteten auf dem Schiff freiwilligen Seenotrettungsdienst. Mehrere Festsetzungen zwangen Sea-Eye 2021, das Schiff aufzugeben.
Sea-Eye hat schon mehrfach gegen rechtswidrige Festsetzungen geklagt – bereits mit Erfolg: Im Juni erklärte das Gericht in Reggio Calabria eine 60-tägige Festsetzung der SEA-EYE 4 vom März 2024 für unrechtmäßig. Die Urteile verzögern sich jedoch oft um mehrere Jahre: Insgesamt sind derzeit noch vier weitere Gerichtsverfahren anhängig. Die Prozesse sind für den eingetragenen Verein mit hohen Kosten und zusätzlichen Aufwand verbunden.