Ein gemeinsamer Appell von 15 zivilgesellschaftlichen Organisationen

Sehr geehrte Bundesministerin Nancy Faeser,

die EU steht in diesen Jahren an einem Scheideweg. Grundlegende rechtsstaatliche und menschenrechtliche Prinzipien werden zunehmend infrage gestellt und offen angegriffen, oft von Regierungen selbst. Menschen, die Schutz und Sicherheit suchen, sind dabei im Fadenkreuz staatlicher Verfolgung. Das hat ganz konkrete Folgen: Prozesse etwa in Griechenland oder Italien gegen Personen, die Flüchtlingsboote steuern, zeichnen sich durch Verfahrensverletzungen und mangelnde Beweisführung aus. Doch nicht nur Schutzsuchende selbst, auch ihre Unterstützer*innen werden in vielen Mitgliedstaaten kriminalisiert. Selbst wenn es letztlich zu Freisprüchen kommt, wird der Ruf von Organisationen durch die staatlichen Attacken geschädigt. Die oft jahrelangen Verfahren bedeuten außerdem eine enorme finanzielle und psychische Belastung für die Beschuldigten. Die EU-Richtlinie zur Beihilfe illegaler Einreise ist ein häufig verwendetes Instrument, um Flüchtende oder Unterstützende strafrechtlich zu verfolgen.

In den letzten Jahren gab es deswegen immer wieder Forderungen aus der Wissenschaft, von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Expert*innen, nach einer Überarbeitung der Richtlinie, um diesem Kriminalisierungstrend ein Ende zu setzen. Diesem Ruf ist die Europäische Kommission durch den von ihr 2023 vorgelegten Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie nun gefolgt. Um Schutzsuchenden und Menschenrechtsverteidiger*innen endlich Rechtssicherheit zu garantieren, muss jedoch dringend nachgebessert werden.

Für uns ist klar: Eine überarbeitete Richtlinie muss vollumfänglich in Einklang mit dem UN-Schmuggelprotokoll, sowie internationalem Menschenrechten und dem Flüchtlingsrecht stehen. Humanitäre Hilfe und Unterstützung sind Ausdruck von Menschlichkeit und einer lebendigen Zivilgesellschaft und dürften nicht kriminalisiert werden. Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, sich bei den kommenden Verhandlungen für folgende Punkte einzusetzen:

  1. Klare Definition des Straftatbestands der Beihilfe zur illegalen Einreise unter Voraussetzung einer ungerechtfertigten finanziellen oder materiellen Bereicherung: Nach dem UN-Schmuggelprotokoll wird eine Handlung nur dann als Schmuggel angesehen und strafbar, wenn damit beabsichtigt wird, einen finanziellen oder materiellen Vorteil zu erzielen. Der Straftatbestand in der Richtlinie muss dieser Definition gerecht werden. Darüber hinaus sollte klargestellt sein, dass eine Dienstleistung gegen angemessene Bezahlung (wie eine Taxifahrt über die Grenze oder eine Beherbergung im Hotel in Grenznähe) vom Straftatbestand nicht erfasst ist.
  2. Eine ausdrückliche, umfassende und verbindliche Ausnahmeformulierung für humanitäre Hilfe und Maßnahmen, die dem Schutz von Menschenrechten dienen: Personen und Organisationen, die an Land oder auf See humanitäre Hilfe leisten oder Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, müssen in allen EU Mitgliedstaaten effektiv vor Kriminalisierung geschützt sein.
  3. Entkriminalisierung von Schutzsuchenden und ihren Familienangehörigen: Menschen auf der Flucht sind diejenigen, welche durch ihre Zwangslage Opfer von Schleuserei werden. Der Vorwurf des Schmuggels darf nicht dazu dienen, fliehende Menschen oder deren Familienangehörige durch die Hintertür zu kriminalisieren.
  4. Entfernung des neuen Straftatbestands der öffentlichen Anstiftung: Ein solcher gefährlich vage definierter Straftatbestand könnte dazu genutzt werden, Schutzsuchende oder humanitäre Hilfe zu kriminalisieren und stellt darüber hinaus einen gefährlichen Einschnitt in Presse- und Meinungsfreiheit dar.
  5. Vorangestellte Menschenrechtsfolgenabschätzung: Die Europäische Kommission hat es versäumt, eine menschenrechtliche Folgenabschätzung für die vorgeschlagene Gesetzesänderung durchzuführen. Dies sollte dringend nachgeholt werden, um die nötige Faktengrundlage zur Unterstützung der neuen Rechtsvorschriften zu gewährleisten.

Kriminalisierung von Flucht führt zu mehr Leid und Toten. Irreguläre Grenzübertritte bleiben für viele Menschen alternativlos und sollten nicht kriminalisiert werden. Letztlich sind sichere und legale Fluchtmöglichkeiten der einzige Weg, um die Ausbeutung fliehender Menschen effektiv zu verhindern. Der Umgang mit den in Folge des Angriffskriegs aus der Ukraine fliehenden Menschen hat gezeigt, dass das auch praktisch möglich ist. Wir appellieren an Sie, sicherzustellen, dass die neu überarbeitete Richtlinie kein weiterer Schritt in Richtung der Abschaffung von menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Prinzipien wird.

Anmesty International, borderline-europe, Seebrücke, r42-sail and rescue, Pro Asyl, AWO Bundesverband, Free Homayoun, MSF – Ärzte ohne Grenzen, medico international, Sea-Watch, Die Landesflüchtlingsräte, Sea-Eye, SARAH Seenotrettung, Deutscher Anwaltverein, SOS Humanity

Am 8. September 2020 brannte Europas größtes Aufnahmelager fast vollständig nieder. Schon zuvor war Moria für seine überfüllten und katastrophalen Zustände bekannt. Vier Jahre nach der Katastrophe fordert Sea-Eye endlich echte Lösungen und eine solidarische Asylpolitik.

Als vor vier Jahren das Geflüchtetenlager Moria auf Lesbos in Flammen aufging, wurden rund 13.000 Menschen auf einen Schlag obdachlos. Der Katastrophe folgte großes Entsetzen über die Zustände in dem überfüllten Massenlager: „Keine Morias mehr“ – hieß es damals aus der EU.

Aber: „Viele andere Morias” wurden nun beschlossen. Denn wofür das Elendslager stand, hat die EU in diesem Jahr mit der Asylrechtsverschärfung GEAS in Gesetzesform gegossen: Die Entrechtung und Entmenschlichung von Schutzsuchenden mit dem Ziel der Abschreckung. Das Lager Moria ist zwar abgebrannt, aber das dahinterstehende Prinzip der Ausgrenzung und Abschottung brennt weiter. Die EU bekämpft die Flammen mit Feuer – angefacht von Rechtsaußen.

Wir fordern: Aus der Asche von Moria müssen endlich echte Lösungen entstehen – eine wirklich solidarische Asylpolitik auf Basis der Menschenrechte! Ein Europa, das Kinder nicht in abgeschottete Haftlager an den Außengrenzen pfercht. Ein Europa, das nicht autoritäre Regime dafür bezahlt, Menschen aus libyschen Elendslagern an der Flucht zu hindern. Ein Europa, das Menschen nicht aufs offene Meer, in die Türkei, nach Tunesien oder Libyen zurückschickt – und in libyschen Folterlagern ihrem Schicksal überlässt. Dafür stehen wir als Teil der europäischen Zivilgesellschaft!

Am 22. Juli taufte die Oscar-nominierte Schauspielerin unseren neuen Rettungskreuzer, die SEA-EYE 5. Nach der offiziellen Zeremonie haben wir mit ihr gesprochen – darüber, warum sie sich für die zivile Seenotrettung engagiert und was sie sich diesbezüglich von der Politik wünscht.

Für uns steht fest: Mit dir haben wir eine großartige Taufpatin für die SEA-EYE 5 gewonnen. Was hat dich persönlich dazu bewegt, diese Aufgabe  zu übernehmen?

Ich kenne ein Mitglied von Sea-Eye seit vielen Jahren. Wir hatten uns aus den Augen verloren und er hat über meine Agentur angefragt, ob es nicht eine Aufgabe für mich wäre, mehr Aufmerksamkeit für die Organisation und das Schiff selbst zu generieren. Für mich war das überhaupt keine Frage – mir war klar, dass ich da mitmachen wollte. Das einzige, was wir noch finden mussten, war einen Termin und einen Ort für die Taufe, der für alle passt.

Wie siehst du die Rolle von Künstler*innen und Prominenten bei der Sensibilisierung für Themen wie die zivile Seenotrettung?

Natürlich kann ich nicht für andere sprechen. Ich denke, jede Person muss für sich selbst entscheiden, inwieweit sie ihre Öffentlichkeit oder ihre Position nutzt, um für die Themen zu sprechen, die ihr am Herzen liegen. Für mich wäre es ein komisches Gefühl, in der Öffentlichkeit zu stehen und dann zu Dingen zu schweigen, die einfach nicht richtig sind. Deshalb ist mir dieses Projekt auch so wichtig.

Dein Terminkalender ist voll. Woher nimmst du die Energie, dich zusätzlich gegen Rechtsextremismus oder gegen das Sterben im Mittelmeer zu engagieren?

Mein voller Terminkalender ist nicht annähernd vergleichbar mit den Problemen der Menschen, die von rechter Gewalt betroffen sind oder auf dem Mittelmeer ums Überleben kämpfen. Deshalb ist es für mich selbstverständlich, dass ich mich für sie einsetze.

Welche Veränderungen wünschst du dir für Schutzsuchende im Mittelmeer?

Ich wünsche mir, dass die europäischen Regierungen erkennen, dass die Fluchtbewegungen auch von Europa ausgelöst werden. Dass entsprechend gehandelt wird, dass Verantwortung übernommen wird – und dass diese Fluchtbewegungen als das gesehen werden, was sie sind, und nicht als Luxusprobleme von Menschen, die angeblich immer mehr wollen. Diese Zuschreibungen, die es in manchen Teilen der Presse gibt, müssen aufhören. Ich würde mir wünschen, dass hier genauer hingeschaut wird – beispielsweise: Was sind Fluchtursachen? Die Politik kennt die Antworten darauf und warum sie nicht entsprechend handelt, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Aber das wünsche ich mir: Dass endlich Fluchtursachen bekämpft werden.

Damit die SEA-EYE 5 zeitnah im Mittelmeer Menschenleben retten kann, brauchen wir neben einer Taufpatin noch viel mehr Menschen, die sich engagieren. Wie kann man helfen, die SEA-EYE 5 in den Einsatz zu schicken?

Es gibt ein Spendenprojekt für die SEA-EYE 5: Jede*r kann eine*r von 3.000 Schiffspat*innen werden und einen monatlichen Betrag leisten, damit dieses Schiff einsatzbereit wird. Übrigens: Ich habe das Formular auf der Website bereits ausgefüllt – ich bin auch schon Schiffspatin!

Am 25. August 2014 reagierte die Migrant Offshore Aid Station (MOAS) als erste zivile Seenotrettungsorganisation mit einem Rettungseinsatz auf die hohe Zahl an Schiffsunglücken und Todesfällen im Mittelmeer.

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der zivilen Seenotrettung im zentralen Mittelmeer fordert die Hilfsorganisation Sea-Eye die Europäische Union auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und ein umfassendes staatliches Seenotrettungssystem aufzubauen. Denn im selben Jahr, in dem MOAS in den Einsatz startete, stellte auch die italienische Marineoperation Mare Nostrum ihre Arbeit ein. Seitdem gibt es im Mittelmeer keine staatlich organisierte Seenotrettung mehr. Stattdessen begann die Operation Triton unter der Leitung der EU-Grenzagentur Frontex, deren Fokus jedoch nicht auf der Rettung von Schutzsuchenden, sondern auf der Grenzsicherung lag. In den vergangenen zehn Jahren haben mehrere private Organisationen zahlreiche Menschenleben gerettet – die humanitäre Krise ist allerdings nach wie vor ungelöst.

„In den letzten zehn Jahren haben zivile Seenotrettungsorganisationen die Verantwortung übernommen, die grundsätzlich bei den EU-Mitgliedsstaaten liegt. Politisch hat sich in dieser Zeit viel verändert, doch die humanitäre Situation im Mittelmeer ist nach wie vor katastrophal. Statt auf staatlich organisierte Seenotrettung zu setzen, wird die Abschottung Europas weiter vorangetrieben. Gesetze gegen zivile Seenotrettungsorganisationen wurden in Italien kreiert und das Schlimmste: Noch immer sterben jedes Jahr tausende Menschen auf der Suche nach Asyl und Schutz“, erklärt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V. „Die EU-Mitgliedstaaten müssen aufhören, unsere Arbeit zu kriminalisieren und endlich eine europäische staatliche Seenotrettung aufbauen, die den klaren Auftrag hat, möglichst vielen Menschen im Mittelmeer das Leben zu retten!“

Sea-Eye wurde im Herbst 2015 gegründet und startete im darauffolgenden Frühjahr mit den ersten Rettungseinsätzen. Trotz des Engagements ziviler Seenotrettungsorganisationen gilt die Fluchtroute über das Mittelmeer als die gefährlichste der Welt. Laut dem Missing Migrant Project der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit 2014 mehr als 30.000 Menschen im Mittelmeer verschwunden oder gestorben. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) werden seit 2014 mehr als 30.000 Menschen im Mittelmeer vermisst. Sea-Eye fordert die EU auf, endlich Verantwortung zu übernehmen.

Die Zahl der Vermissten im Mittelmeer hat laut dem Missing Migrant Project der IOM mittlerweile die 30.000-Marke überschritten. Fast 80 Prozent der Verschollenen werden laut Statistik im zentralen Mittelmeer vermisst. Ertrinken ist die häufigste Todesursache. Unter den Verunglückten sind auch viele Kinder. Allein im Jahr 2024 sind bereits mehr als 1.000 Menschen auf der tödlichsten Fluchtroute verschwunden.

Statt gegen die Hilfsorganisationen vorzugehen, müssen die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten endlich ihrer Verantwortung im Mittelmeer gerecht werden. Derzeit bekämpfen sie weder die Fluchtursachen noch sorgen sie für sichere Fluchtrouten, sondern sie erschweren unsere humanitäre Arbeit nur noch mehr: Durch Festsetzungen, die Zuweisung weit entfernter Häfen oder strengere Auflagen für zivile Rettungsschiffe. Dabei zeigen Gerichtsurteile wie das in Reggio Calabria ganz deutlich, dass es sich bei den Maßnahmen gegen unsere Einsätze um den Missbrauch staatlicher Machtbefugnisse handelt. Die EU ist inzwischen für über 30.000 verlorene Menschenleben im Mittelmeer verantwortlich. Wir brauchen endlich eine Abkehr von diesem brutalen, europäischen Grenzregime hin zu einer menschenrechtsbasierten Migrationspolitik!”, fordert Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V. 

Allein zwischen Juni 2023 und Juni 2024 wurde die SEA-EYE 4 insgesamt 120 Tage in Italien festgesetzt. Der in Regensburg ansässige Verein hat bereits mehrfach gegen rechtswidrige Festsetzungen geklagt. Das Gericht in Reggio Calabria hatte am 5. Juni einer Klage von Sea-Eye stattgegeben und die 60-tägige Verwaltungshaft der SEA-EYE 4 im März 2024 für unrechtmäßig erklärt.


Als Antwort auf die anhaltende Krise im Mittelmeer sendet Sea-Eye e.V. noch in diesem Jahr einen ehemaligen Seenotkreuzer ins Mittelmeer. Die Oscar-nominierte Schauspielerin Sandra Hüller taufte das Rettungsschiff am Montag auf seinen neuen Namen SEA-EYE 5.

Das Schiff wird noch in diesem Jahr zu seinem ersten lebensrettenden Einsatz im Mittelmeer auslaufen

Am 22. Juli 2024 taufte die Oscar-nominierte Schauspielerin Sandra Hüller gemeinsam mit Omorogbe Peter Obamwonyi, Crew-Manager bei Sea-Eye, den Rettungskreuzer SEA-EYE 5. Die Zeremonie fand im Hafen der italienischen Stadt Ancona statt. Das Schiff war bis 2020 unter dem Namen NIS RANDERS für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) im Einsatz. Als ziviles Rettungsschiff SEA-EYE 5 wird es künftig auf der tödlichsten Fluchtroute der Welt Menschen in Seenot zu Hilfe kommen. Seit 2014 starben fast 30.000 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer.

„Ich wünschte, dieses Schiff müsste nicht existieren. Ich wünschte, die Regierungen Europas und der Welt würden endlich begreifen, dass Migration nicht aufhört, wenn sie das Sterben auf den Migrationsrouten zulassen. Sie wird aufhören, wenn sie die Verantwortung für das Leid der Menschen übernehmen, die ihre Heimat verlassen, verursacht durch die Arroganz und Ignoranz des Rests der Welt und der Politik. Ich wünsche diesem Schiff eine friedliche See und danke der Besatzung für ihre leider notwendige Arbeit. Mögen dieses Schiff und die Menschen darauf gesegnet sein“, erklärte Sandra Hüller.

Sandra Hüller

Omorogbe Peter Obamwonyi ergänzte: „Trotz aller Erfolge der letzten Jahre und der vielen geretteten Menschenleben wachsen die Hürden in der zivilen Seenotrettung mit illegalen Festsetzungen, die uns wiederholt in Häfen festhalten. Jetzt, mit dem zusätzlichen Rettungsschiff SEA-EYE 5, sind wir zuversichtlich, dass wir mehr Kraft haben, um das zu tun, was wir am besten können und worauf wir stolz sind – weiterhin Leben zu retten.“

Sandra Hüller und Omorogbe Peter Obamwonyi

Der Kaufpreis von rund 465.000 Euro wurde durch eine Spendenaktion von United4Rescue finanziert, einem von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) initiierten zivilgesellschaftlichen Bündnis mit über 900 Partnern. Sandra Bils, Vorstandsmitglied von United4Rescue, sagte in ihrer Rede:

„Wir sind überwältigt, wie viele Menschen in so kurzer Zeit für den Rettungskreuzer gespendet haben. Die große Spendenbereitschaft zeigt: Wir schauen nicht weg, wenn die europäischen Staaten Schutzsuchende auf dem Mittelmeer ertrinken lassen. Gemeinsam setzen wir der tödlichen Abschottungspolitik etwas entgegen und schicken die SEA-EYE 5 als viertes Bündnisschiff aufs Mittelmeer!“

Sandra Bils

Zur Behandlung von medizinischen Notfällen wird an Bord eine Krankenstation eingerichtet. Deren Ausstattung und Betrieb wird durch die langjährige Sea-Eye-Partnerorganisation German Doctors e.V. ermöglicht. Vorständin Dr. Christine Winkel­mann betonte bei den Feierlichkeiten:

Für uns ist es eine menschenrechtliche Verpflichtung, Menschen in Not zu helfen und sie medizinisch zu versorgen – egal, ob an Land oder auf See. Unsere Ärzte und Ärztinnen berichten immer wieder von unermesslichem Leid: traumatisierte Menschen, unterkühlt und dehydriert mit unterschiedlichen Verletzungen. Oft haben sie Schlimmstes durchgemacht, bevor sie an Bord des Rettungsschiffs kommen. Diese Zustände sind unerträglich. Durch den ehrenamtlichen Einsatz von erfahrenen Bordärzt*innen und dem gesamten medizinischen Team versuchen wir auch unter diesen widrigen Umständen das Recht auf medizinische Versorgung umzusetzen.“

Dr. Christine Winkelmann

Die SEA-EYE 5 wurde 1990 gebaut und gehört zur 23,3-Meter-Klasse, einer Serie von sieben Seenotkreuzern der DGzRS. Bis 2018 war sie vor Maasholm an der schleswig-holsteinischen Küste im Einsatz und wurde weitere zwei Jahre von der DGzRS ohne feste Station betrieben. Vor seinem ersten Einsatz im zentralen Mittelmeer wird der Rettungskreuzer überholt und technisch modernisiert.

Um das Jahresbudget der SEA-EYE 5 zu decken, sucht Sea-Eye aktuell 3.000 Schiffspat*innen, die mit einer monatlichen Spende den Betrieb des Rettungskreuzers sicherstellen. Der Umbau des Schiffes, die ersten Einsätze und ein Teil der dauerhaften Finanzierung werden durch zwei langfristige Darlehen der GLS Bank sowie eine Crowd-Kampagne des Kooperationspartners GLS Crowd abgedeckt.

Nach einem der Einsätze versuchte die sogenannte libysche Küstenwache mehrfach, die Besatzung des zivilen Rettungsschiffs einzuschüchtern

Bei drei Einsätzen am 16. und 17. Juli 2024 hat die SEA-EYE 4 insgesamt 31 Menschen aus Seenot gerettet: Am Dienstag sichtete die Besatzung des Rettungsschiffs um etwa fünf Uhr morgens drei Menschen in einem kleinen hölzernen Fischerboot, das weder über Rettungsausrüstung noch über moderne Navigationsgeräte verfügte, und evakuierte sie. Während die Crew auf Anweisungen der italienischen Behörden wartete, entdeckte sie gegen Mittag ein weiteres Holzboot in Seenot und rettete 20 Personen – darunter eine Mutter mit ihrem Baby. Am Tag darauf reagierte die SEA-EYE 4 am frühen Nachmittag auf den Notruf eines Flugzeugs, das ein Fiberglasboot mit acht Personen in Seenot beobachtet hatte, und brachte auch diese in Sicherheit.

„Einige der Geretteten befinden sich in einem schlechten, vereinzelt sogar kritischen Gesundheitszustand. Diese Menschen müssen so schnell wie möglich medizinisch versorgt werden. Für sie ist es eine Zumutung, dass wir wieder einen so weit entfernten Hafen zugewiesen bekommen haben”, sagt Ayesha Sattar, Bordärztin auf der SEA-EYE 4 für German Doctors e.V.

Kurz nach der zweiten Rettung am 16. Juli traf die sogenannte libysche Küstenwache ein und versuchte, die Besatzung der SEA-EYE 4 einzuschüchtern:

„Nachdem wir die Menschen gerettet hatten, zündete die sogenannte libysche Küstenwache das leere Boot an und umkreiste uns zweimal mit heulenden Sirenen. Sie forderten uns auf, das Gebiet zu verlassen – obwohl sie dazu in internationalen Gewässern rechtlich nicht befugt sind – und verfolgten uns lange Zeit. Das ist ein klarer Versuch, uns einzuschüchtern und die Menschen, die sich ohnehin schon in einer schwierigen Situation befinden, noch mehr in Bedrängnis zu bringen. Mit Hilfe für Menschen in Seenot haben diese Aktionen nichts zu tun”, beschreibt Julie Schweickert, Einsatzleiterin an Bord der SEA-EYE 4, die Situation.

Die sogenannte libysche Küstenwache fängt flüchtende Menschen auf dem Mittelmeer ab und bringt sie zurück in das Bürgerkriegsland Libyen. Finanziert wird sie unter anderem von der Europäischen Union. UN-Experten haben der EU deshalb bereits 2023 vorgeworfen, Beihilfe zu den Verbrechen der sogenannten libyschen Küstenwache zu leisten.

In ihren Einsätzen agiert die sogenannte libysche Küstenwache immer wieder äußerst aggressiv und gewalttätig, wodurch bereits Menschen ums Leben gekommen sind. In Libyen droht den verschleppten Menschen Inhaftierung in sogenannten Detention Camps, wo sie schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.

Die italienischen Behörden haben die SEA-EYE 4 angewiesen, die Überlebenden im Hafen von Ortona in der Provinz Chieti an Land zu bringen. Mit dieser Zuweisung nehmen die Behörden in Kauf, dass die SEA-EYE 4 einen weiten Weg zurücklegen muss und dadurch tagelang im Einsatzgebiet fehlen wird, obwohl ihre Rettungskapazitäten dort dringend benötigt werden. Das Rettungsschiff wird voraussichtlich am Samstagabend im Hafen eintreffen.

Das zivile Seenotrettungsschiff der Regensburger Organisation Sea-Eye e.V. ist direkt wieder ins Einsatzgebiet aufgebrochen

Am Donnerstag (11. Juli 2024) erreichten gegen Mittag 174 Überlebende an Bord der SEA-EYE 4 den Hafen von Genua – darunter auch eine Mutter mit ihrem Baby. Die Menschen waren am Sonntag und Montag im Mittelmeer gerettet worden. Das Schiff half an den beiden Tagen bei insgesamt 5 Einsätzen 231 Menschen in Seenot. Die beim letzten Einsatz geretteten Menschen wurden noch am Montag der italienischen Küstenwache übergeben. Für die übrigen 174 Überlebenden haben die italienischen Behörden Genua – rund 600 Seemeilen vom Einsatzgebiet entfernt – als sicheren Hafen bestimmt.

“Die drei Tage, die wir bis Genua gebraucht haben, waren für die geschwächten Überlebenden drei weitere strapaziöse Tage auf dem Mittelmeer. Wir sind froh, dass wir sie endlich in Sicherheit bringen konnten. Dass wir in so kurzer Zeit so viele Rettungen durchgeführt haben, hat vor allem eines gezeigt: Wir werden vor Ort dringend gebraucht. Deshalb war es für uns wichtig, so wenig Zeit wie möglich zu verlieren und uns direkt wieder auf den Weg ins Einsatzgebiet zu machen”, erklärt Ayesha Sattar, Einsatzärztin von German Doctors auf der SEA-EYE 4.

Um 21:30 Uhr, nur wenige Stunden nachdem die SEA-EYE 4 Genua erreichte, verließ das Schiff wieder den Hafen, um erneut ins Einsatzgebiet zu starten. Dort wird es voraussichtlich Anfang der kommenden Woche eintreffen.

Rescue SEA-EYE 4

Unter den Überlebenden befanden sich auch eine Mutter mit ihrem Baby und eine im neunten Monat schwangere Frau.

Am Sonntagmittag (7. Juli 2024) reagierte die Besatzung des zivilen Rettungsschiffs SEA-EYE 4 auf einen Notruf von Alarmphone und evakuierte 46 Personen von einem in Seenot geratenen Schlauchboot. Wenige Stunden später erhielt das Schiff eine weitere Alarmphone-Meldung. In diesem Fall war das Segelschiff NADIR der Organisation RESQSHIP zuerst vor Ort, stabilisierte das seeuntüchtige Schlauchboot, das Luft verlor und zum Teil mit Wasser gefüllt war, verteilte Rettungswesten und sicherte 22 Menschen auf Rettungsinseln – darunter eine Mutter mit ihrem Baby. Als die SEA-EYE 4 gegen 19 Uhr eintraf, übernahm sie alle 60 Überlebenden. Um 2 Uhr nachts am 8. Juli erreichte das Rettungsschiff ein Fiberglasboot und rettete weitere 10 Personen. Am Montagmorgen brachte die Besatzung gemeinsam mit der Crew der NADIR insgesamt 58 Menschen von einem überfüllten Holzboot, in das bereits Wasser eingedrungen war, an Bord der SEA-EYE 4 in Sicherheit. Der Einsatz war um 7 Uhr beendet. Um kurz nach 12 Uhr fand das Schiff ein weiteres Schlauchboot in Seenot und rettete 57 Menschen, darunter eine hochschwangere Frau.

„Fünf Rettungen in 24 Stunden: Das zeigt, welcher Ausnahmezustand derzeit im Mittelmeer herrscht – und wie wichtig es ist, dass wir vor Ort sind, um Menschenleben zu retten. Doch durch die Zuweisung weit entfernter Häfen – allein für die Fahrt nach Genua müssen wir sechs Tage An- und Abreise einplanen – verlieren wir wertvolle Zeit in der Such- und Rettungszone, in der wir Menschen in Not nicht helfen können. Für schutzsuchende Menschen kann diese Politik tödliche Konsequenzen haben”, betont Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.

„Wir hatten eine hochschwangere Frau an Bord, die dringend medizinisch versorgt werden musste. Viele der Geretteten haben Tage auf dem Mittelmeer verbracht, sind geschwächt und stark dehydriert. Einige leiden an Fuel Burns, also chemischen Verbrennungen, die entstehen, wenn sich Benzin mit Meerwasser vermischt und dann mit der menschlichen Haut in Berührung kommt”, ergänzt Ayesha Sattar, Einsatzärztin von German Doctors auf der SEA-EYE 4.

Die SEA-EYE 4 hat auf Anweisung der italienischen Behörden die beim letzten Einsatz geretteten Menschen der italienischen Küstenwache übergeben. Nun steuert das Schiff den etwa 600 Seemeilen entfernten Hafen in Genua an, wo es voraussichtlich am 11. Juli eintreffen wird. Dort werden die Menschen der ersten vier Einsätze das Rettungsschiff verlassen dürfen.

© Christian Hüller / Agentur Focus; Veröffentlichung und Weiterverbreitungen des Fotos sind nur im Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung gestattet.

Die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye e.V. schickt ab Sommer 2024 einen Rettungskreuzer ins Mittelmeer. Um die Einsätze zu finanzieren, sucht der Verein ab dem Weltflüchtlingstag am 20. Juni insgesamt 3.000 Schiffspat*innen.

Der ehemalige Rettungskreuzer NIS RANDERS der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) wird künftig als SEA-EYE 5 im Mittelmeer Leben retten. Um das Jahresbudget zu finanzieren, will der Verein 3.000 Dauerspender*innen finden, die als Schiffspat*innen den Betrieb des Rettungskreuzers mit monatlich 16,67 Euro sicherstellen. Mit der Oscar-nominierten Schauspielerin Sandra Hüller hat Sea-Eye eine prominente Taufpatin gewonnen.

Es ist mir eine große Ehre, Patin der SEA-EYE 5 zu sein. Jeder Mensch hat ein Recht auf Freiheit, Frieden und Sicherheit. Die Teams der Seenotrettung leisten eine unverzichtbare Arbeit, die oft über Leben und Tod entscheidet. Ich möchte diese wertvolle Mission unterstützen und dazu beitragen, dass Menschen in Not die dringend benötigte Hilfe erhalten”, betont Sandra Hüller.

Die SEA-EYE 5 ist Sea-Eye’s Antwort auf die andauernde humanitäre Krise im Mittelmeer, der tödlichsten Fluchtroute der Welt. Der flexibel einsetzbare Rettungskreuzer wurde 1990 gebaut und gehört zur 23,3-Meter-Klasse, einer Serie von sieben Seenotkreuzern der DGzRS. Dank ihrer leistungsstarken Motoren erreicht die SEA-EYE 5 schnell Boote, die in Seenot geraten sind. Obgleich der Rettungskreuzer kleiner als die SEA-EYE 4 ist, kann er die Häfen von Lampedusa oder Malta problemlos erreichen, um Überlebende in Sicherheit zu bringen. Die SEA-EYE 5 ist damit eine wichtige Ergänzung der zivilen Rettungsflotte, die seit 2015 jene Lücke in der EU schließt, die durch die Einstellung der staatlichen Seenotrettung entstanden ist. 

„Wir freuen uns, gerade am Weltflüchtlingstag ein starkes Zeichen für die Seenotrettung setzen zu können: In wenigen Wochen werden wir einen schnellen und flexiblen Rettungskreuzer ins Mittelmeer entsenden. Dass wir Sandra Hüller als Taufpatin für das Schiff gewinnen konnten, bestärkt uns in unserer Mission, weiterhin Menschenleben auf der tödlichsten Fluchtroute der Welt zu retten!”, ergänzt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.

Als NIS RANDERS war der Rettungskreuzer bis 2018 vor Maasholm an der schleswig-holsteinischen Küste im Einsatz und wurde weitere zwei Jahre ohne feste Station von der DGzRS betrieben. Zuletzt befand sich das Schiff in Privatbesitz. Vor ihrem ersten Einsatz im zentralen Mittelmeer wird die SEA-EYE 5 überholt und technisch modernisiert. Für die Rettung von Menschen in Seenot wird ein Tochterboot in einer Heckwanne mitgeführt, das automatisch ein- und ausgefahren werden kann. Darüber hinaus verfügt das Schiff über einen Schlepphaken, mobile Rettungsgeräte sowie eine umfangreiche Navigations- und Funkausrüstung. Auch eine Krankenstation befindet sich an Bord. Deren Ausstattung und Betrieb wird durch die langjährige Sea-Eye-Partnerorganisation German Doctors e.V. ermöglicht.

Die SEA-EYE 5 wird als viertes Bündnisschiff von United4Rescue – einer von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) initiierten und von über 900 Partnern getragenen zivilgesellschaftlichen Allianz – in den Einsatz gehen. Um den Kaufpreis von rund 465.000 Euro zu finanzieren, hat United4Rescue eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Der Umbau des Schiffs, die ersten Einsätze und ein Teil der dauerhaften Finanzierung werden durch zwei langfristige Darlehen der GLS Bank sowie eine Crowd-Kampagne ihres Kooperationspartners, der GLS Crowd, abgebildet.