Sea-Eye bittet Bundesaußenministerin Baerbock und das Auswärtige Amt um Hilfe

SEA-EYE 4

Seenotretter*innen warnen vor Festsetzung aller Rettungsschiffe

Am Sonntagnachmittag wandte sich die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye an die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und das Auswärtige Amt mit der eindringlichen Bitte um Hilfe. Zuvor hatten die italienischen Behörden die deutschen Rettungsschiffe SEA-EYE 4 von Sea-Eye e. V. und MARE*GO von Zusammenland gUG festgesetzt.

Beide Schiffe retteten in der vergangenen Woche insgesamt 86 schutzsuchende Menschen aus seeuntüchtigen Booten. In beiden Fällen wurden die Schiffe jeweils mit 20 Tagen Verwaltungshaft bestraft. Der SEA-EYE 4 wird vorgeworfen, die Anfahrt zum von den italienischen Behörden zugewiesenen Ausschiffungshafen Ortona unterbrochen zu haben, um weitere Menschen aus Seenot zu retten, statt den Kurs wie gefordert beizubehalten.

Wir können keine Notrufe ignorieren. Deshalb haben wir den Kurs geändert“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Bei Wiederholung drohen den Seenotretter*innen nun noch härtere Strafen. Sollte die SEA-EYE 4 auf einer zukünftigen Mission erneut weitere Rettungen durchführen, obwohl die italienische Rettungsleitstelle bereits einen Ausschiffungshafen zugewiesen hat, so können hohe Bußgelder und eine weitere Festsetzung für bis zu sechs Monate verhängt werden. Bei einer weiteren Wiederholung soll ein Rettungsschiff nach dem neuen italienischen Gesetz vom 24.02.2023 dann sogar unbefristet festgesetzt werden können.

Dieses Gesetz könnte die zivile Seenotrettung vollständig lahmlegen, wenn die italienischen Behörden es weiter so anwenden. Denn schließlich werden wir keine Notrufe ignorieren, um Festsetzungen zu verhindern. Uns vor diese Wahl zu stellen, ist menschenverachtend und verantwortungslos“, sagt Isler weiter.

In einer Nachricht an Bundesaußenministerin Baerbock und das Auswärtige Amt bat Sea-Eye darum, sich dafür einzusetzen, dass

1. zivile Rettungsschiffe nicht dafür festgesetzt werden dürfen, dass sie mehrere Rettungseinsätze durchgeführt haben,

2. die Festsetzungen der SEA-EYE 4 und der MARE*GO aufgehoben werden und von Bußgeldern abgesehen wird,

3. die zivilen Rettungsschiffe von italienischen und maltesischen Behörden optimal eingesetzt werden, um möglichst viele Menschenleben zu retten,

4. die durch Spenden finanzierten Ressourcen ziviler Seenotrettungsorganisationen nicht vergeudet werden, indem die Schiffe in weitentfernte Häfen geschickt werden, um deren Einsatzzeit in der libyschen und maltesischen Such- und Rettungszone zu reduzieren und

5. die maltesische Rettungsleitstelle ihre Koordinierungspflichten für flüchtende Menschen in Seenot wieder wahrnehmen muss, um weitere Todesopfer zu vermeiden.

Wir haben nun einen Zeitpunkt erreicht, an dem noch verhindert werden kann, dass in wenigen Monaten alle zivilen Rettungsschiffe wegen zu vieler Rettungseinsätze längerfristig festgesetzt worden sind“, heißt es abschließend in der Nachricht an das Auswärtige Amt.

Sea-Eye wird Rechtsmittel gegen den Festsetzungsbescheid einlegen. Dazu hat die Organisation 60 Tage Zeit. Eine zeitnahe Entscheidung ist jedoch unwahrscheinlich, da Verfahren vor italienischen Verwaltungsgerichten aufwendig und langwierig sind.