Seenotretter*innen drohen hohe Strafen wegen Rettung von Menschenleben

#LeaveNoOneToDie

SEA-EYE 4 rettete am Dienstagabend weitere 32 Menschenleben

Am Dienstagabend rettete die Crew der SEA-EYE 4 weitere 32 Menschen aus einem seeuntüchtigen Holzboot. Der Seenotfall war zuvor von einer Segelyacht gemeldet worden. Zu diesem Zeitpunkt war die SEA-EYE 4 bereits auf der Suche nach einem Seenotfall in der maltesischen SAR-Zone (Such- und Rettungszone), bei dem sich an Bord eines großen Holzboots rund 400 Menschen in Lebensgefahr befanden. Das völlig überladene Holzboot war, nachdem es einen Notruf abgesetzt hatte, vom zivilen Suchflugzeug SEABIRD entdeckt worden. Die Betreiberin des Suchflugzeugs, Sea-Watch, dokumentierte die Sichtung auf Twitter.

Das Holzboot mit 400 Menschen an Bord konnte in der Nacht zum Mittwoch in dem großen Suchgebiet von der SEA-EYE 4 nicht gefunden werden. Glücklicherweise erreichten die Menschen die italienische SAR-Zone aus eigener Kraft und wurden dort am Mittwochmorgen von der italienischen Küstenwache gerettet. Malta hatte die hunderten Menschen in Lebensgefahr vollständig ignoriert und koordinierte den Seenotfall nicht, obwohl sich die Menschen viele Stunden in der maltesischen SAR-Zone in Seenot befanden und Malta zweifelsfrei zuständig war.

Holzboot
Holzboot mit 32 Menschen

Das Eingreifen der italienischen Küstenwache zeigt, dass die Rettung unbedingt notwendig war. Man muss sich klarmachen, dass keine europäische Behörde so einem Schiff gestatten würde, einen europäischen Hafen zu verlassen, um irgendeinen anderen Ort über das Meer erreichen zu wollen. Diese Menschen waren vom Zeitpunkt des Ablegens in größter Gefahr. Die vielen Todesopfer des Schiffsunglücks vor Crotone zu Beginn des Jahres zeigen, die furchtbaren Konsequenzen, wenn staatliche Akteure zu spät reagieren. Es ist ein Skandal, dass Malta seit Langem in der eigenen Such- und Rettungszone für Menschen auf der Flucht keine Rettungseinsätze durchführt“, sagt Jan Ribbeck, Missionsleiter der laufenden SEA-EYE 4-Mission.

Als SEABIRD den Notruf meldete, war die SEA-EYE 4 mit 17 Menschen, die bereits am Sonntag aus einem Holzboot gerettet worden sind, auf dem Weg nach Ortona. Der rund 1.300 nautische Meilen entfernte Hafen wurde dem Schiff unmittelbar nach der Rettung der 17 Menschen durch die italienische Seenotleitstelle zugewiesen.

Trotz erfolgreicher Rettung von insgesamt 49 Menschenleben drohen Sea-Eye nun hohe Strafen. Denn die italienische Regierung verabschiedete am 24. Februar ein Gesetz, das es Rettungsschiffen nicht ohne Weiteres gestattet, mehrere Rettungen hintereinander durchzuführen.

Rettungseinsatz

Die völkerrechtliche Verpflichtung, Menschen in Seenot zur Hilfe zu kommen, wiegt schwerer als nationale Gesetze. Wenn Sea-Eye nun bestraft wird, dann vor allem deshalb, weil maltesische Behörden ihre koordinierenden Pflichten nicht mehr wahrnehmen und schutzsuchende Menschen in der maltesischen Such- und Rettungszone sich selbst überlassen bleiben. Auf unserem Schiffsrumpf steht das Versprechen #LeaveNoOneToDie. Es ist kein leeres Versprechen. Deshalb haben wir das Schiff auf dem Weg nach Ortona gewendet, was 32 Menschen das Leben rettete“, sagte Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Die GEO BARENTS von Ärzte ohne Grenzen wurde in diesem Jahr bereits mit einer solchen Strafe von 10.000 € und einer Festsetzung des Schiffes für 30 Tage sanktioniert. Sea-Eye befürchtet nun, dass weitere zivile Ressourcen der Organisation durch staatliche Restriktionen beschädigt werden. Die aktuellen Missionen sind ohnehin finanziell sehr viel aufwendiger, weil Italien den zivilen Seenotrettungsschiffen seit Ende 2022 immer weit entfernte Häfen zuweist, um die Schiffe aus dem Einsatzgebiet fernzuhalten.