Tragischer Einsatz auf dem Mittelmeer
Bei der ersten von zwei Rettungen in der Nacht auf Freitag kam für zwei Menschen jede Hilfe zu spät. Die Crew der SEA-EYE 4 konnte nur noch ihre Leichen bergen, darunter die Mutter eines Babys, welches nun an Bord des Rettungsschiffs versorgt wird.
Es sind dramatische Stunden auf dem zentralen Mittelmeer: In der Nacht von Donnerstag auf Freitag konnte die Crew der SEA-EYE 4 insgesamt 109 Menschen aus Seenot retten, darunter zahlreiche Kinder. Beim ersten Rettungseinsatz konnten zwar 32 Menschen gerettet werden. Überschattet wurde die Rettung jedoch von zwei Todesfällen, die bereits vor Ankunft der SEA-EYE 4 verstorben sind. Eine der verstorbenen Personen hatte die lebensgefährliche Überfahrt mit ihrem Baby angetreten. Direkt im Anschluss machte sich das Rettungsschiff auf den Weg zu einem zweiten Seenotfall.
In der Nacht konnten weitere 77 Menschen gerettet werden, darunter auch eine schwangere Frau. Die SEA-EYE 4 ist nun mit insgesamt 109 Überlebenden an Bord auf dem Weg nach Pesaro, der von Italien zugewiesene Hafen liegt rund fünf Tage entfernt. Auf die Anfrage nach einem näher gelegenen Hafen haben die italienischen Behörden bis Freitagmittag nicht reagiert.
Sechs Tage waren die Menschen des ersten Seenotfalls auf einem hochseeuntauglichen Metallboot unterwegs. Entdeckt und gemeldet wurde der Seenotfall durch das zivile Aufklärungsflugzeug Seabird von Sea-Watch e.V. am späten Donnerstagnachmittag. Als einziges Rettungsschiff, welches zu diesem Zeitpunkt im Einsatzgebiet unterwegs war, machte sich die SEA-EYE 4 unmittelbar auf den Weg. Die Anfahrt dauerte insgesamt 6 Stunden. Als die Seenotretter*innen den Seenotfall erreichten, waren zwei der 34 Personen in dem Boot bereits verstorben. Die Sea-Eye-Crew konnte nur noch ihre Leichen bergen.
Viele der Überlebenden mussten im Bordkrankenhaus behandelt werden. Nach wie vor ist das medizinische Team am Limit und dabei, mehrere verletzte Personen zu versorgen. Eine Person war in so schlechtem Zustand, dass sie von den maltesischen Behörden mit einem Rettungshubschrauber am Freitagvormittag evakuiert worden ist.
„In den vergangenen sechs Jahren kamen wir in mehr als zwei Dutzend Einsätzen immer rechtzeitig, um den Verlust von Menschenleben zu verhindern. Doch dieses Mal kamen wir für zwei Menschen zu spät. Sie waren Europas brutalem Grenzregime sechs Tage ausgeliefert. Das ist unverzeihlich. Eine Mutter verlor ihr Leben noch bevor wir das Boot erreichen konnten. Ein Baby wurde zum Halbwaisen. Ein Mann verlor seine Frau. Wir sind zutiefst bestürzt. Unsere Gedanken sind bei den trauernden Angehörigen der Verstorbenen. Wir bringen die Überlebenden nun in Sicherheit”, so Gorden Isler, Vorsitzender des Sea-Eye e.V.
„Die Nachricht, dass unsere Hilfe für zwei Menschen zu spät kam, macht uns tieftraurig und zugleich sehr wütend. Es ist menschenverachtend und beschämend, dass die EU-Mitgliedsstaaten dem Sterben im Mittelmeer seit Jahren tatenlos zusehen. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Gestorbenen, bei den Geretteten, und wir wünschen der Crew auf der SEA-EYE 4, dass sie die Überlebenden stabilisieren und bald in einen sicheren Hafen bringen können“, erklärt Dr. Harald Kischlat, Vorstand des German Doctors e.V. Der Verein stellt regelmäßig ehrenamtliche Schiffsärzt*innen für die Missionen der SEA-EYE 4, so auch auf dieser Mission.