„Alles was ich will, ist frei zu sein.“

Wie Sophie den heutigen Taufpaten der SEA-EYE 4 traf

Sophie, Crewmitglied der ersten ALAN KURDI Rettungsmission, berichtet, wie sie Alpha Jor Barry, den heutigen Taufpaten der SEA-EYE 4, zwischen zwei Stürmen auf Hoher See fand.

Manchmal trifft man jemanden unter den seltsamsten und schwierigsten Umständen, aber gerade in Zeiten der Not können starke Freundschaften entstehen.

Im Dezember 2018 backte ich gerade traditionelle österreichische Weihnachtsplätzchen, als ich einen Anruf von der Sea-Eye-Crewingabteilung erhielt. Ein Crewmitglied für die nächste Rettungsmission war ausgefallen und ich wurde gebeten, einzuspringen. Anstatt nach dem Weihnachtsessen mit meiner Familie Kekse zu essen, sollte ich meine erste Seenotrettungsmission im Mittelmeer beginnen. Ich war sehr aufgeregt über die Neuigkeiten. Meine Familie hingegen machte sich große Sorgen, weil ich so lange auf See sein würde und wegen der schrecklichen Berichte über die sogenannte libysche Küstenwache, die für ihre gewalttätigen Einsätze bekannt ist.

Zwei Wochen später flog ich nach Spanien, um an Bord der ALAN KURDI meinen Platz in der Crew einzunehmen. Ich erinnere mich sehr gut an diese Mission, aber besonders erinnere ich mich an die Menschen.

Nach dem Ablegen war das Wetter zwei Wochen lang sehr rau mit hohen Wellen, die uns an Steuerbord und Backbord trafen und von rechts nach links warfen. Die alte, aber robuste ALAN KURDI rollte und stampfte in den Winterböen.

ALAN KURDI

Weihnachten feierten wir an Bord mit einem aus Holz geschnitzten Baum und einem köstlichen Essen. Und obwohl die gesamte Crew sich gut verstanden hat, blieb ein seltsames Gefühl. Wir wussten, dass kleine Boote bei so rauem Wetter keine Chance haben und schnell sinken.

Aber dann beruhigte sich das Meer und am zweiten Morgen wurde ich durch das laute Klopfen meines – jetzt guten Freundes – Daniel geweckt: „Da ist ein Boot!“ Ich sprang aus dem Bett und war in weniger als fünf Minuten einsatzbereit. Die wachhabende Crew hatte ein Holzboot mit 17 Menschen in Seenot gefunden, darunter viele Minderjährige. Wir näherten uns dem Boot mit unseren Einsatzbooten, verteilten Rettungswesten und brachten die Menschen an Bord der ALAN KURDI in Sicherheit.

ALAN KURDI: Rettungseinsatz

In den folgenden Tagen verschlechterte sich das Wetter wieder und es braute sich ein Sturm zusammen. Das Holzboot wäre in diesem Sturm in wenigen Minuten gekentert und alle an Bord wären ertrunken. Ihre Angehörigen hätten nie wieder von ihnen gehört.

Nachdem wir die Geretteten an Bord genommen hatten, begannen wir mit Erster Hilfe und verteilten Wasser und Nahrung. Da unsere Bitte bei europäischen Seenotleitstellen um einen sicheren Hafen tagelang vergebens blieb, verbrachten wir viel Zeit mit den geretteten Menschen. Wir lernten uns besser kennen, einige redeten viel und wollten ihre Geschichten teilen, andere waren zu traumatisiert, um zu sprechen. Aber wir haben uns angenähert und viele wertvolle Momente miteinander geteilt, die ich für immer im Herzen behalten werde.

Essensausgabe an Bord der ALAN KURDI

Unter diesen Umständen habe ich auch meinen Freund Alpha kennengelernt. Vom ersten Tag an bewunderte ich seinen Elan, seine optimistische Einstellung, seinen Humor und seine unglaubliche Weisheit angesichts seines jungen Alters. An Bord sagte er mir: „Alles was ich will, ist frei zu sein.“ Ich freue mich sehr, diesen jungen Mann noch heute meinen Freund nennen zu dürfen.

Ich freue mich auch sehr über die Tatsache, dass Alpha unserer Einladung, offizieller Taufpate unseres neuen Rettungsschiffs zu sein, gefolgt ist. Er erweist uns die Ehre, die SEA-EYE 4 zu taufen, die bald ins Mittelmeer entsendet wird. Die Aufgabe des neuen Rettungsschiffs wird es sein, Menschen, die wie Alpha auf der Suche nach Freiheit und Sicherheit sind, in den schwersten Stunden ihres Lebens zur Hilfe zu kommen.

Alpha Jor Barry

Ich war überglücklich, Alpha in den Tagen vor der Taufe wiederzusehen und zu wissen, dass er unsere Arbeit unterstützt. Es gibt mir das Gefühl, dass wir ganz genau auf dem richtigen Weg sind.