Endlich ist es wieder so weit. Die ALAN KURDI macht sich auf den Weg ins Einsatzgebiet, wo wir dringend gebraucht werden!

Kai auf der ALAN KURDI

Mein Name ist Kai und ich koordiniere bei Sea-Eye das ehrenamtliche Engagement an Land. In den nächsten Wochen gehe ich zum ersten Mal mit Sea-Eye auf eine Rettungsmission. In einigen Blogeinträgen werde ich meine persönlichen Erfahrungen und Gedanken mit Ihnen teilen.

Letzte Woche Donnerstag bin ich zusammen mit zwei weiteren Crew-Mitgliedern, Jonas und Joris, mit dem Auto von Köln nach Burriana in Spanien gefahren. Am Freitag haben wir dort die gesamte Crew getroffen.

An Bord der ALAN KURDI sind wir elf Ehrenamtliche, acht professionelle Seeleute und eine Journalistin. Manche fahren zum ersten Mal mit, andere sind schon sehr erfahren und es ist super spannend, mich mit ihnen auszutauschen. Unsere Crew kommt aus Deutschland, Spanien, Ghana, Portugal und Österreich.

Crew der ALAN KURDI

In den letzten Tagen haben wir das Schiff auf den Einsatz vorbereitet und verschiedene Trainings durchgeführt. Unter anderem haben wir mit unseren Einsatzbooten (RHIBs genannt) verschiedene Situationen von Seenotfällen simuliert und trainiert. Außerdem haben wir die Szenarien „Feuer an Bord“ und „Verlassen des Schiffes“ geübt und uns als Crew eingespielt.

In den nächsten Tagen auf dem Weg ins Einsatzgebiet im zentralen Mittelmeer werden wir noch einige Trainings durchführen und sind dann optimal auf mögliche Rettungseinsätze vorbereitet.

Am Anfang fühlte es sich zwar zwischendurch etwas an, als würden wir in den Urlaub fahren, aber ich habe großen Respekt vor all dem, was wir in den nächsten Wochen erleben werden und beschäftige mich viel mit dem, was passieren kann.

Dabei denke ich darüber nach, wie unterschiedlich doch die Voraussetzungen und Möglichkeiten von Menschen sind. Denn in einem Einsatzfall treffen Menschen aufeinander, die in ihrem Leben ganz unterschiedliche Chancen und Möglichkeiten hatten.

Wir konnten die 1800 Kilometer nach Spanien entspannt mit dem Auto fahren und haben dabei drei Ländergrenzen überquert. Hier in Burriana waren wir in den letzten Tagen ein paar Mal am Strand und abends konnten wir auch mal ins Restaurant gehen.

Die Menschen, die wir potentiell nächste Woche treffen, sind seit Monaten oder Jahren unterwegs und haben häufig große Probleme Ländergrenzen zu überqueren. Ich frage mich, was sie wohl zurzeit erleben. Eventuell werden manche von ihnen gerade in Libyen gefoltert oder steigen – in der Hoffnung auf ein Leben wie unseres – in ein überfülltes Schlauchboot. Mir wird mal wieder klar, wie viel Glück wir haben, dass wir in Deutschland geboren wurden. Diese Ungleichheit sollte nicht sein.

Mit solidarischen Grüßen
Kai
PS: Hier auf der Website werde ich kurze Beiträge posten. Falls Sie mehr Einsicht in meine persönlichen Erfahrungen bekommen möchten, schauen Sie in meinen Blog.

Sea-Eye verurteilt deutsches Verständnis einer „europäischen Lösung“

  • ALAN KURDI kehrt nach vier Monaten in den Einsatz zurück
  • Spanische Behörden stützen Sicht der deutschen Behörden
  • Sea-Eye kritisiert deutsches Engagement nach dem Brand in Moria
  • Sea-Eye appelliert an Heimathafenstadt Hamburg

ALAN KURDI kehrt nach vier Monaten in den Einsatz zurück

Nach einer viermonatigen Zwangspause kehrt das Sea-Eye-Rettungsschiff ALAN KURDI in den Einsatz zurück. Es verließ den spanischen Hafen von Burriana am Freitagabend. Die italienischen Behörden hatten die ALAN KURDI nach der Rettung von 150 Menschen während der Corona-Krise Anfang Mai in Palermo festgesetzt. Im August reichte Sea-Eye gegen diesen Verwaltungsakt Klage vor dem Verwaltungsgericht in Palermo ein. Ein Urteil steht noch aus. Die Festsetzung durch die italienischen Behörden verhinderte inzwischen drei Einsätze. Laut IOM ertranken in diesem Zeitraum 252 Menschen im Einsatzgebiet der ALAN KURDI.

Spanische Behörden stützen Sicht der deutschen Behörden

Schon unmittelbar nach der Festsetzung bestätigte die zuständige Flaggenstaatsbehörde Deutschlands, dass die ALAN KURDI entsprechend ihrer Schiffsklasse korrekt ausgestattet und zertifiziert ist. Sea-Eye nutzte die Zwangspause für umfangreiche technische Verbesserungen am Schiff. Der spanische Hafenstaat bestätigte nun die Position der deutschen Flaggenstaatsbehörde. Nach Prüfung der technischen Ausstattung und Zertifizierung durch eine umfangreiche Hafenstaatskontrolle erteilte Spanien der ALAN KURDI die Genehmigung abzulegen und informierte die deutschen und italienischen Behörden.

„Einen Widerspruch gab es am Freitag aus Italien zwar nicht. Wir müssen aber mit Diskussionen über Abwassersysteme und einer erneuten Hafenstaatskontrolle durch die italienischen Behörden rechnen“, sagte Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.

Sea-Eye kritisiert deutsches Engagement nach Brand in Moria

Die ‚europäische Lösung‘ ist ein Märchen, welches impliziert, dass da noch etwas Gutes kommt. Die tatsächliche, europäische Lösung sehen wir seit 5 Jahren. 20.000 Tote im Mittelmeer, 12.000 Schutzsuchende in Moria und 69 Abschiebungen zum 69. Geburtstag unseres Innenministers“, sagt Isler zum Engagement der Bundesregierung zur Brandkatastrophe im Flüchtlingslager Moria.

Der Bundesinnenminister erklärte am Freitag in einer Sitzung des Bundestages, dass Deutschland bereit sei, bis zu 150 Kinder von Lesbos zu evakuieren. Er nannte diese Maßnahme u.a. „einen Akt der christlichen Nächstenliebe“. Für mehr als 12.000 obdachlose Schutzsuchende auf Lesbos gibt es weiter keine Lösung.

Sea-Eye appelliert an Heimathafenstadt Hamburg

Verschiedene Bundesländer erklärten unmittelbar nach dem Brand in Moria ihre Bereitschaft, Menschen von Lesbos zu evakuieren. Nordrhein-Westfalen wäre bereit, insgesamt 1000 Menschen zu evakuieren. Inzwischen arbeiten verschiedene Bundesländer an einer Bundesratsinitiative, die ermöglichen soll, dass die Bundesländer selbst direkt helfen und Menschen evakuieren können. Berlin und Thüringen starteten die Bundesratsinitiative. Hamburg dürfte nun das Zünglein an der Waage sein. Die Erwartungen an Hamburg sind hoch, denn das rot-grüne Hamburg hat sich schließlich zum sicheren Hafen erklärt.

Aus einer solchen Erklärung wächst die Verantwortung, die Chance zu nutzen und sich dieser historischen Bundesratsinitiative anzuschließen“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye.

Twitter: Andy Grote zum Brand in Moria
Andy Grote auf Twitter zum Brand in Moria

In einer Woche wird in einer Plenarsitzung im Bundesrat unter TOP11 über die Bundesratsinitiative abgestimmt werden. Der Hamburger Innensenator Andy Grote erklärte unmittelbar nach der Katastrophe, dass Hamburg bereit sei, Menschen aufzunehmen. Folgen ihm auch die anderen Senator*innen der Hamburger SPD, dürfte die Zustimmung der Grünen Regierungspartnerin nur noch reine Formsache sein.

Hamburg ist Heimathafen mehrerer NGO-Rettungsschiffe. Jetzt appellieren wir an die Hansestadt selbst, diesen humanitären Kipppunkt nicht zu ignorieren und den Schalter im Bundesrat für eine menschenrechtsbasierte Politik umzulegen“, sagt Isler weiter.

Die GHALIB KURDI soll noch in diesem Jahr eingesetzt werden

  • Fünfter Todestag von Alan, Ghalib und Rehanna Kurdi
  • Neue Kampagne „Ehrlich gesagt“ spricht Klartext
  • Regensburg wird Heimathafen der GHALIB KURDI

Am Dienstagvormittag verkündete die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye auf einer Pressekonferenz in Regensburg, ein neues Rettungsschiff kaufen und noch in diesem Jahr in den Einsatz entsenden zu wollen. Das neue Schiff soll den Namen GHALIB KURDI tragen und an den ebenfalls ertrunkenen, älteren Bruder von Alan Kurdi erinnern. Die Familie der verstorbenen Kinder unterstützt das Anliegen von Sea-Eye ausdrücklich und will sich in Zukunft noch mehr bei Sea-Eye einbringen.

„We could not save our own family. Let’s save the others“, sagte Tima Kurdi in der Eröffnung der Pressekonferenz.

Seit November 2019 verwickelt die italienische Küstenwache Sea-Eye in technische Diskussionen. So kritisieren italienische Beamte, dass das Schiff keine ausreichenden Abwasser- und Müllentsorgungskapazitäten an Bord hätte. Dass deutsche Fachbehörden entschieden wiedersprachen, nutzte nichts. Sea-Eye musste im August 2020 Klage vor dem Verwaltungsgericht in Palermo einlegen. Mit einem Urteil rechnet Sea-Eye in den kommenden Wochen.

„Uns wurde schon im November 2019 klar, dass Italien zunehmend versuchen wird, in diese Richtung zu argumentieren. Seit Februar arbeitet ein Projektteam vorausschauend an der Aufgabe, ein größeres Schiff zu finden, das alle Anforderungen erfüllt. Ganz gleich, ob diese gerechtfertigt sind oder nicht. Wir wollen Menschen vor dem Ertrinken retten. Das geht nur, wenn unsere Schiffe auf dem Wasser sind. Deshalb brauchen wir die GHALIB KURDI“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye.

Die Mitgliederversammlung der Regensburger Seenotretter*innen gab bereits im Juni auf einer Versammlung in Erfurt grünes Licht und beauftragte den Vorstand, die vorgestellten Pläne umzusetzen. Inzwischen hat Sea-Eye ein Schiff ausgesucht und sich mit einem deutschen Reeder auf einen Kaufpreis geeinigt. Die Finanzierung des Kaufpreises ist bereits durch Sea-Eye’s Unterstützer*innen zugesagt worden. Zu den Unterstützer*innen gehört unter anderem die katholische Kirche.

Aktuell wird der Werftplan zur Ausrüstung des Schiffs erstellt und die Verträge für die Übereignung werden ausgearbeitet. Das Schiff soll nach Übereignung der Öffentlichkeit präsentiert werden. Zeitgleich wird Sea-Eye neue Partnerorganisationen vorstellen, die Sea-Eye’s Missionen zukünftig begleiten werden.

„Die zunehmenden Erschwernisse dürften für einzelne Organisationen kaum zu bewältigen sein. Wir sprechen daher mit verschiedenen, erfahrenen Organisationen darüber, sich die Aufgaben und die Verantwortung zu teilen“, sagt Isler weiter.

Fünfter Todestag von Alan, Ghalib und Rehanna Kurdi

Am 2. September 2020 jährt sich der Todestag von Alan Kurdi zum fünften Mal. Das Bild des ertrunkenen, zweijährigen Jungen erlangte traurige Berühmtheit. Kaum Beachtung fand unterdessen, dass wenige hundert Meter entfernt der leblose Körper des zwei Jahre älteren Bruders Ghalib neben der ebenfalls ertrunkenen Mutter Rehanna gefunden worden war. In einem Interview zitierte der Vater Abdullah Kurdi später die letzten Worte seines Sohnes Ghalib: „Hab keine Angst Vater“.

Abdullahs Schwester Tima Kurdi hat die Geschichte der Familie aufgeschrieben. Ihr Buch „Der Junge am Strand“ erscheint im Oktober im deutschen Buchhandel. Seit der Familientragödie nutzt sie ihre Stimme, um sich für die Rechte Geflüchteter und schutzsuchender Menschen einzusetzen. In den vergangenen fünf Jahren setzten die EU-Mitgliedsstaaten weiter auf Abschottung und Abschreckung. So ertranken in den letzten Jahren rund 20.000 weitere Menschen im Mittelmeer. Bewaffnete libysche Milizen dienen der EU inzwischen als Türsteher und die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln können nur noch als unmenschlich und grausam bewertet werden.

In the last five years, many people in Germany have committed themselves to helping refugees. Europe must now work to end the war in my home country. Europe must return to a human rights-based course and create humanitarian corridors“, sagt Tima Kurdi.

Neue Kampagne „Ehrlich gesagt“ spricht Klartext

Um Spenden für die Missionen der ALAN KURDI und der GHALIB KURDI einzuwerben, startet Sea-Eye am 3. September die Kampagne „Ehrlich gesagt“. Die Idee stammt von der Hamburger Agentur Grabarz & Partner und wurde auf der Pressekonferenz von Alexander Baron vorgestellt.

„Wir machen nicht nur unseren Job, wir engagieren uns auch für die Gesellschaft. Und da wir selbst nicht auf eine Mission gehen, versuchen wir wenigstens alles dafür zu tun, dass Sea-Eye es tun kann“, sagt Baron.

Die emotionale Kampagne sagt, wie es ist und kommt dabei ohne Bilder von Seenotretter*innen oder geretteten Menschen aus. Die Kampagne wird in Regensburg, München, Berlin und Köln plakatiert.

Plakat: Kampagne "Ehrlich gesagt"

Heimathafen Regensburg

Heimathafen des neuen Rettungsschiffes soll die Stadt Regensburg werden. Der Verein Sea-Eye wurde im Oktober 2015 von Michael Buschheuer und Freund*innen in Regensburg gegründet. Zudem war Regensburg die erste Stadt in Bayern, die sich im Rahmen des Bündnisses Seebrücke und der Potsdamer Erklärung zu einem „Sicheren Hafen“ erklärte.

„Noch immer machen sich viele Menschen aus dem afrikanischen Kontinent über den Seeweg auf in Richtung Europa, weil sie hoffen, so kriegerischen Auseinandersetzungen, Terror, Hunger und Armut entkommen zu können. Rettungsorganisationen wie der in Regensburg beheimatete Sea-Eye e. V. leisten eine wichtige humanitäre Aufgabe. Ich freue mich sehr, dass mit dem Schiff GHALIB KURDI bereits das vierte Schiff der Organisation auf den Einsatz vorbereitet wird und bin stolz auf dessen Heimathafen Regensburg“, erklärt die Regensburger Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, die ebenfalls an der Pressekonferenz teilnahm.

Um ein weiteres Zeichen zu setzen, stimmte die Stadt der temporären Umbenennung zweier Orte zu. So wird ab dem 3. September die „Eiserne Brücke“ für drei Monate den Namen „Michael-Buschheuer-Brücke“ tragen und das „Marc-Aurel-Ufer“ in „Alan-und-Ghalib-Kurdi-Hafen“ umbenannt. Die Idee stammt vom Künstler Dušan Zahoranský.