Frontex: Eiskalte Abschottung made in Europe (2/7)

Die Frontex-Drohnen im Mittelmeer werden von Airbus Bremen geflogen. (Matti BlumeIAI, ILA 2018, Schoenefeld (1X7A6064)CC BY-SA 4.0)

Teil 2 Frontex darf nun selbst gegen Schutzsuchende vorgehen

Autor: Matthias Monroy

Die ersten Frontex-Gesetze haben die Regierungen noch ohne das EU-Parlament beschlossen. Doch auch die 2009 verankerte parlamentarische Kontrolle kann die tödliche europäische Abschottung nicht stoppen – ganz im Gegenteil.

Die erste Frontex-Mission trug den Namen „Hera“ und wurde ab 2006 unter spanischer Leitung zwischen den Kanarischen Inseln und Senegal durchgeführt. Die Grenzüberwachung erfolgte dabei sowohl aus der Luft als auch auf See. Hierfür durften Einheiten der EU-Grenzagentur sogar die Hoheitsgewässer von Mauretanien, Senegal und Marokko befahren – eine bis heute einmalige Erlaubnis durch afrikanische Staaten.

Mit einer neuen Verordnung im Jahr 2007 wurden die Kompetenzen von Frontex maßgeblich erweitert. Die Grenzagentur sollte etwa sogenannte Soforteinsatzteams (RABITs) aufstellen, die über ähnliche operative Befugnisse wie die Beamt*innen des aufnehmenden Mitgliedstaats verfügen. Hierzu gehören Grenzkontrollen und Überwachungsmaßnahmen. Sie sollten in Situationen zum Einsatz kommen, „in denen eine Großzahl von Drittstaatsangehörigen versuchen, illegal die Außengrenzen der Union zu überschreiten“, so die offizielle Formulierung. Der erste Einsatz dieser RABITs erfolgte in Griechenland im Rahmen der Mission „Poseidon“, die bis heute andauert.

Über die Ausweitung des Mandats von Frontex konnten die EU-Staaten – genauso wie über die Gründung der Agentur – anfangs noch allein entscheiden. Erst seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Jahr 2009 hat auch das Parlament ein Mitspracherecht. Bis Frontex in einer erneuerten Verordnung neben dem Grenzschutz auch zum Schutz der Grundrechte von Geflüchteten verpflichtet wird, dauerte es weitere zwei Jahre. Auslöser waren Berichte über die Mitwirkung bei völkerrechtswidrigen Zurückweisungen, den sogenannten „Pushbacks“. In der Praxis wirkt die neue Menschenrechtsverpflichtung bis heute nicht, schließlich gibt es zahlreiche belegte Verwicklungen von Frontex in völkerrechtswidrige Zurückweisungen.

2014 stellte sich die EU zur Migrationsabwehr neu auf und Frontex erhielt dabei eine Schlüsselrolle, mit Zustimmung vieler Abgeordneter. Mit der Umbenennung in „Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache“ im Jahr 2016 wurde Frontex erstmals eine ganz direkte Verantwortung für die Überwachung und Kontrolle der europäischen Außengrenzen übertragen. Frontex durfte nun also eigene Ausrüstung anschaffen und begann sofort mit dem Aufbau einer eigenen Luftüberwachung.

Für diesen neuen „Luftüberwachungsdienst“ hat Frontex mittlerweile Leasingverträge über mindestens 200 Millionen Euro abgeschlossen. Die Gelder fließen an private Dienstleister. Die von den Luftfahrzeugen aufgenommenen Videobilder werden in das Frontex-Hauptquartier nach Warschau und zu einzelnen Küstenwachen der Mittelmeeranrainer gestreamt.

Die neuen Mitbestimmungsrechte des Parlamentes nach dem Lissabon-Vertrag haben also zur Verschärfung der Migrationsabwehr von Frontex beigetragen. Davon profitieren Rüstungskonzerne wie etwa Airbus, dessen deutscher Ableger in Bremen die Frontex-Drohnen im Mittelmeer startet und landet. Wie diese Drohnen eingesetzt werden, um Schutzsuchende völkerrechtswidrig nach Libyen zurückzubringen, erklären wir in der nächsten Folge.


Der Autor: Matthias Monroy

Matthias Monroy hat viele Jahre im Deutschen Bundestag für einen Abgeordneten zum Thema gearbeitet. Inzwischen ist er Redakteur für Netzpolitik.org und das Neue Deutschland. Monroy arbeitet weiter u.a. zu den Themen Polizeiarbeit in der Europäischen Union, Migrationskontrolle, Internetüberwachung, Satellitenaufklärung und Drohnen.