Frontex: Eiskalte Abschottung made in Europe (5/7)

Symbolbild: Die „Ständige Reserve“ wird von Frontex mit Uniformen und Waffen ausgestattet. (Credit: IMAGO / ZUMA Press)

Teil 5 Frontex erschafft die erste uniformierte EU-Polizeitruppe

Autor: Matthias Monroy

Die bislang letzte Änderung der Frontex-Verordnung erfolgte 2019. Der Grenzagentur wird darin erlaubt, eine „Ständige Reserve von insgesamt 10.000 Beamt*innen aufzubauen. Damit verabschiedet sich die Europäische Union endgültig von dem alten Grundsatz, dass Frontex ausschließlich Polizeien aus den Mitgliedstaaten koordinieren soll.

7.000 Angehörige der „Ständigen Reserve“ werden wie bisher aus den EU-Ländern zu Frontex entsandt und dort entweder in Kurz- oder Langzeitmissionen eingesetzt. 3.000 Beamt*innen werden jedoch zukünftig direkt aus Warschau kommandiert. Sie tragen eigens entworfene Uniformen und Waffen von Frontex und werden mit Schlagstöcken, Handschellen, Pfefferspray und kugelsicheren Westen ausgerüstet. Den Zuschlag erhielt der Waffenhersteller Glock aus Österreich und liefert 2.500 halbautomatische Pistolen. Einen weiteren Auftrag über die Lieferung von 3,6 Millionen Schuss Munition erhielten polnische Firmen.

Frontex soll zudem mehr Daten verarbeiten dürfen. Auch dies ist in der 2019er Verordnung geregelt. Das betrifft in erster Linie visumfreie Reisende aus 60 Staaten, die zukünftig vor Überqueren einer EU-Grenze ein Antragsformular ausfüllen müssen. Nächstes Jahr nimmt die Europäische Union dazu das „Reisegenehmigungssystem“ ETIAS in Betrieb. Ein Bewertungssystem ermittelt auf Basis des Formulars mögliche Risiken im Hinblick auf irreguläre Migration, sonstige Sicherheitsbelange oder auch Epidemien. Zuständig dafür sind rund 250 Beamt*innen, die dazu bei Frontex angestellt werden.

Außerdem darf Frontex zukünftig unter alleiniger Verantwortung Abschiebeflüge durchführen und errichtet dazu ein „Europäisches Rückkehrzentrum“. Es soll den Mitgliedstaaten ein „komplettes Dienstleistungsangebot“ für Abschiebungen anbieten. Frontex kümmert sich um die Vorbereitung und Durchführung der Flüge. Die hierfür aufgestellten „Begleit- und Unterstützungsbeamten für Abschiebungen“ gehören zur „Ständigen Reserve“.

In einer ersten, vollständig von der Agentur initiierten und organisierten „Rückführungsaktion“ schob Frontex vor einem Jahr 40 albanische Staatsangehörige nach Tirana ab. Das gecharterte Flugzeug startete in Madrid, bei einer Zwischenlandung in Rom wurden weitere Personen an Bord gebracht. Zur Debatte steht jetzt, dass Frontex eigene Abschiebeflugzeuge anschafft.

Mit der Neuordnung in den Bereichen „Ständige Reserve“, „Informationsmanagement“ und „Rückkehrzentrum“ erhielt Frontex auch eine neue Struktur zur Leitung. Dem Exekutivdirektor stehen fortan drei Vizedirektor*innen zur Seite. Für die Grenztruppe ist die aus Lettland stammende Aija Kalnaja zuständig, die Datenverarbeitung leitet Uku Särekanno aus Estland. Den Posten des neuen Abschiebechefs erhielt der deutsche Bundespolizist Lars Gerdes. Gerdes leitete zuvor die Ausbildungsmission der Bundespolizei in Afghanistan.

Bei Frontex war Gerdes zudem stellvertretendes deutsches Mitglied im Verwaltungsrat. Das Gremium trifft Entscheidungen für die Entwicklung von Frontex, jeder EU-Mitgliedstaat entsendet dafür zwei stimmberechtigte Mitglieder nach Warschau. Eine effektive Aufsicht über die immer mehr entfesselte Grenzagentur kann aber auch der Verwaltungsrat nicht ausüben. Von diesem Kontrolldefizit handelt die nächste Folge.


Der Autor: Matthias Monroy

Matthias Monroy hat viele Jahre im Deutschen Bundestag für einen Abgeordneten zum Thema gearbeitet. Inzwischen ist er Redakteur für Netzpolitik.org und das Neue Deutschland. Monroy arbeitet weiter u.a. zu den Themen Polizeiarbeit in der Europäischen Union, Migrationskontrolle, Internetüberwachung, Satellitenaufklärung und Drohnen.