Frontex: Eiskalte Abschottung made in Europe (4/7)

Satellit

Informationen aus der Satellitenüberwachung führt Frontex in Warschau zusammen.

Teil 4 Frontex perfektioniert die Überwachung aus dem All

Autor: Matthias Monroy

Die Aufnahmen von ihren Flugzeugen, Drohnen und Satelliten speist Frontex in EUROSUR ein. Als europaweites Überwachungssystem trägt es seit 2014 Vorkommnisse an den EU-Außengrenzen zusammen. 

Der wichtigste Knoten dieses Netzwerks befindet sich im Frontex-Hauptquartier in Warschau. Dort werden die Informationen von über 40 Mitarbeiter*innen gesichtet und ausgewertet.

EUROSUR ergänzt das in Warschau geführte „Informationsbild des Grenzvorbereichs“. Damit will Frontex weitab der Festung Europa feststellen, wenn sich Menschen dorthin auf den Weg machen. Im Mittelmeerraum ist dieser „Grenzvorbereich“ laut der Europäischen Kommission mehr als 500 Quadratkilometer groß; er kann sich also bis weit in den afrikanischen Kontinent hinein erstrecken.

Die Grenzagentur ist ständig auf der Suche nach neuen Quellen für dieses „Informationsbild“ und forscht an neuen Technologien. Dazu ist Frontex an Vorhaben beteiligt, die von der Europäischen Kommission aus ihrem milliardenschweren Forschungsrahmenprogramm finanziert werden. An vielen weiteren Programmen fungiert Frontex als Tippgeberin oder testet die neu entwickelten Anwendungen zur Grenzüberwachung und -kontrolle.

Frontex lädt außerdem regelmäßig zu sogenannten „Industrietagen“ nach Warschau. Dort werden hochauflösende Sensortechnik, Kameras mit Muster- und Verhaltenserkennung oder futuristisch anmutende Leitstellen gezeigt, in denen die Informationen verarbeitet werden. Die Hersteller tauschen sich mit Innenministerien und Grenztruppen über die neuen Technologien aus und werden anschließend mit großzügigen Restaurantbesuchen belohnt.

Besonderes Augenmerk legt Frontex auf die verbesserte Überwachung aus dem All. Die Agentur will etwa eine „Lücke“ zwischen Drohnen und Satelliten schließen und testet dazu Plattformen zur Überwachung in der Stratosphäre, also in Höhen über 15 Kilometern. Die Europäische Kommission zahlt dafür 5,8 Millionen Euro an den französischen Rüstungskonzern Thales, der nächstes Jahr einen neuen Stratosphären-Zeppelin zum Erstflug startet und bei dieser Premiere Videobilder zu EUROSUR streamt.

Auch beim Konkurrenten Airbus nutzt Frontex ähnliche Technologien. Um die Erde kreisende Satelliten können nur in Sichtweite Daten zum Boden funken. Für eine stets gewährleistete Verbindung nutzt Frontex deshalb eine „Weltraumdatenautobahn“ aus drei Laser-Satelliten. Damit können Bilder aus dem All nahezu in Echtzeit an jeden Ort der Erde übermittelt werden. Frontex war die erste Kundin dieses milliardenschweren Systems.

Auf Satelliten basiert auch das Automatische Identifikationssystem (AIS), mit dem jedes größere Schiff über UKW-Funkfrequenzen regelmäßig seine Identität, den Standort und das Ziel aussenden muss. Diese Daten sind auch für Frontex interessant. Weil manche Schiffe ihre AIS-Transponder ausschalten, setzt Frontex aber zunehmend auf das Aufspüren von elektromagnetischer Strahlung, wie sie etwa von Funkgeräten oder Mobiltelefonen an Bord von Schiffen ausgesendet wird. Neue miniaturisierte Satelliten und das Unternehmen SpaceX von Elon Musk haben die Systeme jetzt nicht nur für private Anbieter sondern auch Grenzbehörden erschwinglich gemacht. Laut einer offiziellen Seenotmeldung hat Frontex auch das im Februar vor der italienischen Küstenstadt Crotone gesunkene Boot anhand der Satellitentechnik entdeckt.

Jedoch erstickt Frontex regelrecht an den vielen neuen Datenquellen. Deshalb fließen viele weitere Millionen Euro in die Auswertung mit Verfahren der Künstlichen Intelligenz. Frontex hat zur Beschaffung dieser auch von Geheimdiensten eingesetzten Technik Verträge mit der israelischen Firma Windward abgeschlossen. Auf ihrer Webseite wirbt sie mit dem Slogan „Fangen Sie die Bösewichte auf See“.

Die wirklichen „Bösewichte auf See“ sind aber die Frontex-Abteilungen in Warschau, die einem immer weiter wachsenden Markt europäischer Rüstungsfirmen zusätzliche Absatzmärkte eröffnen. Die beschriebenen Anwendungen illustrieren den technischen Machbarkeitswahn, mit dem Frontex die Migrationsabwehr perfektionieren will. Davon profitieren auch europäische Waffenhersteller, die nun eine neue Einheit unter Frontex-Kommando ausrüsten. Von dieser ersten und bislang einzigen bewaffneten EU-Polizeitruppe handelt die nächste Folge.


Der Autor: Matthias Monroy

Matthias Monroy hat viele Jahre im Deutschen Bundestag für einen Abgeordneten zum Thema gearbeitet. Inzwischen ist er Redakteur für Netzpolitik.org und das Neue Deutschland. Monroy arbeitet weiter u.a. zu den Themen Polizeiarbeit in der Europäischen Union, Migrationskontrolle, Internetüberwachung, Satellitenaufklärung und Drohnen.