Einsatz vom 2. Weihnachtsabend findet gutes Ende

  • ALAN KURDI legt in Pozzallo an
  • 32 gerettete Personen können an Land gehen
  • Malta lehnte eine Evakuierung von geschwächten Frauen und Kindern ab
  • Guiseppe Conte kündigte eine Überarbeitung der strengen Sicherheitspolitik an

Am Sonntagmorgen legte das deutsche Rettungsschiff ALAN KURDI im Hafen von Pozzallo an. Die 32 Überlebenden sendeten am zweiten Weihnachtsabend einen Notruf an die Hilfsorganisation AlarmPhone. Sofort wurden die libyschen Behörden und die zivilen Rettungsschiffe ALAN KURDI und OCEAN VIKING informiert. In der Nacht zum Freitag fand die Crew der Regensburger Organisation insgesamt 32 Menschen in einem überfülltem Kunststoffboot. Alle Überlebenden gaben an, libysche Staatsbürger zu sein.

Nachdem sich das Rettungsschiff ALAN KURDI am Samstagabend erst wenige Stunden in der italienischen Such- und Rettungszone befand, wies die italienische Seenotleitstelle unserer Einsatzleitung einen sicheren Hafen zu. Zuvor war für zehn Gerettete bei der maltesischen Rettungsleitstelle um Evakuierung gebeten worden. Zwei Frauen und mehrere Kinder nahmen aufgrund der Seekrankheit und des Stresses keine Nahrung und kein Wasser zu sich und waren dehydriert. Trotzdem lehnte die maltesische Leitstelle eine Evakuierung ab.

„Wir sind wirklich erleichtert, dass die Geretteten nicht länger an Bord unseres Schiffes ausharren mussten. Der medizinische Zustand einiger Menschen und der aufziehende Sturm bereitete uns zunehmend Sorgen“, sagte Vorstand Gorden Isler.

Die Menschenrechtsbeobachterin an Bord der ALAN KURDI interviewte einige Überlebende. Ein Mann berichtete, dass er zum Militärdienst für den libyschen Bürgerkrieg herangezogen werden sollte und floh deshalb, weil er keine Menschen töten wolle. Seine Partnerin und er gaben weiter an, die Flucht über das Mittelmeer als letzten Ausweg gesehen zu haben. Sea-Eye wertet die Interviews zur Zeit noch aus.

Am Samstag äußerte sich der italienische Staatspräsident Guiseppe Conte, dass er Salvini’s Sicherheitspolitik überarbeiten wolle. Unter dem ehemaligen Innenminister Matteo Salvini wurden drakonische Strafen gegen Rettungskräfte und Rettungsschiffe eingeführt.

Julian Pahlke, Sprecher von Sea-Eye zu den politischen Entwicklungen Italiens: „Salvinis Politik der geschlossenen Häfen muss sofort beendet werden. Die sogenannten Sicherheitspakete haben nicht nur das fremdenfeindliche Klima angeheizt, sie widersprechen auch dem Völkerrecht und fundamentalen Menschenrechten. Der Ankündigung des Staatspräsidenten müssen nun Taten folgen. Wir müssen zu einer humanitären Sicht auf diese Krise an unseren gemeinsamen Außengrenzen zurückfinden. Im gleichen Zuge müssen aber alle EU-Mitgliedsstaaten zusammen, die Mittelmeeranrainerstaaten unterstützen und sich auf eine gemeinsame Verteilung aller Geretteten einigen.“

Crew der ALAN KURDI rettet 32 Menschenleben

Am zweiten Weihnachtsabend empfing die Crew der ALAN KURDI einen Notruf. Das deutsche Rettungsschiff hatte die libysche Such- und Rettungszone erst wenige Stunden zuvor erreicht. Der Notruf wurde um 22:31 Uhr von der Hilfsorganisation AlarmPhone an die libysche Rettungsleitstelle und an die Rettungsschiffe ALAN KURDI und Ocean Viking weitergeleitet.

Das Schiff der Regensburger Seenotretter benötigte rund zwei Stunden zur übermittelten Koordinate, die sich nur etwa 17 Seemeilen von der libyschen Küste entfernt befand. Dennoch reagierten die libyschen Behörden überhaupt nicht auf den weitergeleiteten Notruf.

Auf dem überfüllten Kunststoffboot befanden sich insgesamt 32 Personen, darunter 10 Kinder und 5 Frauen. Eine Frau ist schwanger. Das jüngste Kind ist gerade einmal 3 Monate alt. Alle Überlebenden geben an libysche Staatsbürger zu sein.

„Wie sicher kann Libyen schon sein, wenn sich die Libyer selbst mit ihren Familien auf dem Meer in Lebensgefahr begeben, um das Land zügig zu verlassen?“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye.

Bis zum heutigen Freitagvormittag hat sich keine Rettungsleitstelle als zuständig erklärt. Die ALAN KURDI hat inzwischen Kurs auf die italienische Insel Lampedusa gesetzt, denn der nächste Sturm zieht auf.

„Die Flucht ist zu dieser Jahreszeit besonders gefährlich, weil sich das Wetter ständig ändert“, sagt Julian Pahlke, Sprecher von Sea-Eye. „Hätten wir die Menschen nicht gefunden, wären sie spätestens morgen in einen Sturm geraten. Ihre Überlebenschancen wären dadurch drastisch gesunken.“

Katholische Kirche in Paderborn finanziert Weihnachtsmission von Sea-Eye

  •     Bürgermeister von Palermo verabschiedet die Crew der ALAN KURDI
  •     Rückenwind für Regensburger Seenotretter aus dem Erzbistum Paderborn
  •     Unterstützung durch die Stadt Konstanz
  •     Sea-Eye errichtet Seenotrettungsstützpunkt in Palermo

Am Freitagabend verließ das deutsche Rettungsschiff ALAN KURDI den Hafen von Palermo. Bürgermeister Leoluca Orlando erschien persönlich, um der Crew eine erfolgreiche Mission und sichere Heimkehr zu wünschen. Zuvor hatte er die Crew im Rathaus von Palermo empfangen und die Flagge von Palermo an den Kapitän Uwe Doll überreicht.

Rückenwind erhalten die Regensburger Seenotretter ebenfalls aus dem Erzbistum Paderborn. Im Oktober wurden die Spenden bei Sea-Eye knapp. Eine Mission musste deshalb ausfallen. Generalvikar Alfons Hardt nahm Kontakt mit Sea-Eye auf und sicherte sofortige Unterstützung des Erzbistums zu, um die Einsatzfähigkeit der ALAN KURDI zur Jahreswende sicherzustellen.

„Die Unterstützung aus Paderborn kam keinen Tag zu früh. Die Flucht über das Meer ist zu dieser Jahreszeit besonders gefährlich. Wir sind Erzbischof Hans-Josef Becker unendlich dankbar, der so wiederholt deutlich macht, dass es unser aller Menschenpflicht ist, das Leben Schutzsuchender zu retten“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye.

Dem Hilferuf im Oktober folgten auch die Abgeordneten der Stadt Konstanz. So erhielt Sea-Eye eine schnelle Nothilfe über 5.000 €. Konstanz ist neben Hamburg die zweite, deutsche Stadt, die Sea-Eye finanziell unterstützt und dem Bekenntnis zum sicheren Hafen weitere, konkrete Maßnahmen folgen lässt.

Palermo soll der neue Seenotrettungsstützpunkt für die ALAN KURDI werden. So soll das Schiff ab sofort von Palermo aus in Rettungseinsätze starten.

„Nach der Bruchlandung des italienischen Innenministers Matteo Salvini, sind die italienischen Häfen wieder offen“, sagt Julian Pahlke, Sprecher von Sea-Eye.

Zuvor musste die ALAN KURDI von Spanien aus starten. Die kürzere Anfahrt ins Einsatzgebiet ermöglicht höhere Anwesenheitszeiten der ALAN KURDI in der libyschen Such- und Rettungszone und geringere Einsatzkosten.

„Wir sind gern in Palermo. Der Bürgermeister und die Menschen dort haben uns mit offenen Armen empfangen. Daher wollen wir hier unseren neuen Stützpunkt errichten“, sagt Pahlke weiter.

Deutsches Rettungsschiff darf in Messina anlegen

  • 61 Gerettete gehen in Messina von Bord
  • Situation hatte sich am Dienstagabend durch aufziehenden Sturm verschärft

Nach einer sechstägigen Seeblockade hat das deutsche Rettungsschiff von Sea-Eye am frühen Mittwochmorgen in Messina anlegen dürfen. Die Situation an Bord hatte sich am Dienstagabend noch weiter zugespitzt.

Die ALAN KURDI durchquerte am Dienstagabend die Straße von Messina, um an der nördlichen Küste Siziliens Schutz vor schwerem Wetter zu finden. Zu diesem Zeitpunkt wartete die Einsatzleitung seit beinahe 6 Tagen auf einen sicheren Hafen. Am Mittwochmorgen gegen 9:00 Uhr konnten die verbliebenen 61 Geretteten schließlich in Messina von Bord gehen. Ohne einen solchen, sicheren Hafen hätten die Sicherheit und Gesundheit der Geretteten nicht weiter gewährleistet werden können.

Die ALAN KURDI hatte am 28. November in zwei Rettungen 84 Menschen aus Seenot gerettet. In den folgenden Tagen mussten 23 Menschen in drei Evakuierungen durch die italienische Küstenwache von Bord gebracht werden. Zwölf Menschen brachen während der tagelangen Wartesituation zusammen und benötigten schnellstmöglich medizinische Hilfe an Land. Zudem war ein Neugeborenes in einem kritischen Gesundheitszustand.

Julian Pahlke, Sprecher der Organisation Sea-Eye, übt schwere Kritik an dem Verfahren der europäischen Minister und der EU-Kommission:

„Monatelang feierten sich die Ministerinnen und Minister selbst für den sogenannten „Malta-Deal”, der eine schnelle Verteilung und Anlandung sicherstellen sollte. Seehofer sagte selbst am Montag noch, er sei mit dem Fortschritt bisher sehr zufrieden. Dafür haben wir kein Verständnis. Menschen sind keine Verhandlungsmasse. Es dürfte keine politischen Deals geben, wo das Gesetz längst alles regelt.”

Der Vorsitzende der Organisation Sea-Eye, Gorden Isler, äußerte sich entsetzt über die erneute Erfahrung einer Seeblockade:

„Die grundlegendsten Rechte von Menschen auf der Flucht, werden diesen Menschen so weiter abgesprochen. Die Geretteten haben unseren Crewmitgliedern von Fluchterfahrungen berichtet, die auch uns an Land schlaflose Nächte besorgten. Wir kümmern uns nach dem Anlegen um unsere Besatzung und vertrauen Europa 84 hoffnungsvolle und verletzte Seelen an.”

Während das Schiff ALAN KURDI vor den Häfen wartete, wurde ein Holzboot mit vermutlich 70 Personen vermisst. Es wurde bis heute nicht gefunden. Die Suche wurde Samstagnacht von der maltesischen Army abgebrochen. Der Verbleib dieser 70 Menschen ist ungeklärt.

Maltesische Rettungsleitstelle telefonisch nicht erreichbar

  • vier Personen kollabiert
  • kein sicherer Hafen für die ALAN KURDI

Die Situation an Bord des deutschen Rettungsschiffes ALAN KURDI hat sich über das Wochenende zugespitzt. Am Samstag mussten acht Personen von Bord des Schiffes nach Lampedusa evakuiert werden, darunter zwei Säuglinge jeweils vier und acht Wochen alt. Ein Neugeborenes nahm keine Nahrung mehr zu sich, war dehydriert, unterernährt und deshalb in kritischer Verfassung.

Seit Sonntagnachmittag kollabierten an Bord des deutschen Rettungsschiffes vier Personen. Sie werden seither im Bordhospital behandelt. Die mit Dringlichkeit angefragten Evakuierungen wurden von der maltesischen Rettungsleitstelle wiederholt abgelehnt. Die italienische Leitstelle antwortet auf eine entsprechende Anfrage nicht. Die maltesische Seenotleitung teilte dem Schiff zudem per Mail mit, dass die Menschen an Bord der ALAN KURDI für sie keinen Notfall darstellen.

Die Seenotleitstellen in Rom, Malta und Bremen weisen seit Samstagmittag die Verantwortung von sich und erklären jeweils eine andere Leitstelle für zuständig. Die deutsche Seenotleitstelle MRCC Bremen verwies nach der Rettung sogar an die libysche Navy, obwohl sich das Schiff inzwischen in der maltesischen Koordinierungszone befand.

„Wir sind entsetzt über die Verantwortungslosigkeit europäischer Seenotleitstellen. Die Leitstellen verweigern sich förmlich und unterlaufen ihre Pflicht, die Rettung zu koordinieren und uns einen sicheren Hafen zuzuweisen. Noch nicht einmal kollabierte Personen können vom Schiff evakuiert werden. Uns gehen die Superlative für die Ignoranz Europas aus”, sagt Julian Pahlke, Sprecher von Sea-Eye.

Am Montagmorgen sind an Bord der ALAN KURDI zwei weitere Person kollabiert. Auf das Ersuchen des Schiffes bei den drei Seenotleitstellen kam erneut keine Antwort.

„Wir sind ausgerüstet wie ein moderner Krankenwagen, aber wir können bald nicht mehr für die Gesundheit aller Menschen garantieren. Die Geretteten sind durchweg in schlechter Verfassung. Mit unseren Bordmittel werden wir die Situation in absehbarer Zeit nicht mehr bewältigen können”, sagt die Bordärztin der ALAN KURDI, Barbara Hammerl-Kraus.

„Wir befürchten an Bord das Schlimmste. Wir haben das Auswärtige Amt darum gebeten, dass man die italienischen und maltesischen Partner auf die humanitäre Dringlichkeit hinweist. Es kann nicht sein, dass europäische Leitstellen telefonisch nicht erreichbar sind und sich schlicht verweigern. Deutschland muss darauf drängen, dass internationale Gesetze und seerechtliche Verpflichtungen eigehalten werden, statt sich für rein medienwirksame, sogenannte Deals zu feiern”, fügt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye hinzu.

Erstmalig war die maltesische Rettungsleitstelle für die Einsatzleitung von Sea-Eye telefonisch nicht mehr erreichbar. Ebenfalls neu ist, dass Italien an die Zuständigkeit der deutschen Rettungsleitstelle in Bremen verweist und dort um die Koordinierung bittet.

„Offenbar leidet auf Malta nicht nur die Regierung unter Auflösungserscheinungen. Die Rettungskette dieser beiden Mittelmeeranrainer hat sich in Luft aufgelöst hat“, sagt Isler weiter.

Rettungsschiff ALAN KURDI rettet 84 Menschen auf dem Mittelmeer

  • Unter den Geretteten sind drei Kleinkinder und drei Neugeborene
  • Eine Frau wurde bewusstlos geborgen
  • Zustand eines Neugeborenen ist kritisch

Am Donnerstagmorgen wurde das zivile Rettungsschiff ALAN KURDI der Regensburger Organisation Sea-Eye über den ersten der beiden Seenotfälle informiert. Die Organisation „Watch the Med Alarm Phone“ kontaktierte die Einsatzleitung und übermittelte die Position. Sea-Eye informierte die zuständigen Behörden und das Schiff nahm Kurs auf die kommunizierte Koordinate.

Am späten Vormittag erreichte die ALAN KURDI das seeuntaugliche Schlauchboot und evakuierte die 44 Menschen unverzüglich. Unter ihnen sind 21 Frauen, eine von ihnen ist schwanger. Ebenfalls wurden ein Kleinkind und zwei Neugeborene gerettet, eines vier und ein anderes 8 Wochen alt. Einige Frauen berichten dem Medizinerteam, dass sie bereits seit drei Jahren in Libyen festgesessen haben. An Bord des Schiffes wurden sofort alle Geretteten medizinisch betreut.

Zeitgleich wurde die ALAN KURDI von Alarm Phone über einen weiteren Seenotfall informiert. Am Nachmittag entdeckte das zivile Suchflugzeug „Colibri“ der französischen Hilfsorganisation Pilotes Volontaires das zweite Schlauchboot. Das Sea-Eye-Schiff erreichte die Position gegen 17 Uhr. Auch hier befanden sich drei Kleinkinder unter den Geretteten. Eine Frau wurde bewusstlos von Bord des Schlauchbootes geborgen und musste im Bordhospital behandelt werden. Ihr Zustand ist instabil. Der Zustand eines Neugeborenen wird ebenfalls als kritisch beschrieben. Das Kind konnte zwei Tage nicht mit Wasser versorgt oder von der Mutter gestillt werden.

„Wir sind sehr froh, zur richtigen Zeit vor Ort gewesen zu sein. Die ALAN KURDI ist in diesen Stunden das einzige zivile Rettungsschiff vor der libyschen Küste. Vor allem das Schicksal der sechs Kleinkinder, teilweise nur wenige Wochen alt, bereitet uns in diesen Stunden große Sorgen. Ein Schiff ist noch kein sicherer Ort für Gerettete und schon gar nicht für Neugeborene. Die Behörden müssen sofort handeln und Verantwortung übernehmen“, sagt Sea-Eye Vorsitzender Gorden Isler.

Sea-Eye hat bereits am Nachmittag um Zuweisung eines sicheren Hafens für die Geretteten der ALAN KURDI gebeten. Eine Antwort der europäischen Seenotleistellen blieb bisher aus. Die libyschen Behörden boten am Nachmittag wiederholt Tripolis als Ausschiffungshafen an.

„Wäre Libyen ein sicherer Ort, dann hätten diese Menschen nicht ihr Leben riskiert, um diesen Ort zu verlassen“, sagt Isler weiter.

Sea-Eye lehnt es daher weiter kategorisch ab Menschen zurück nach Libyen zu bringen.

„Es darf jetzt kein Geschacher um Menschen auf der Flucht geben. Das internationale Recht schreibt klar vor, dass die Geretteten in einen sicheren Hafen gebracht werden müssen und der kann nur in Europa liegen. Wir drängen deshalb darauf, schnellstmöglich einen sicheren Ort zugewiesen zu bekommen“, sagt Sea-Eye Sprecher Julian Pahlke.

Sea-Eye-Crew meistert umfangreiche, italienische Hafenstaatskontrolle

  • Die katholische Kirche, die Mennoniten und Heinrich Bedford-Strohm für die EKD sprechen Segen für die ALAN KURDI aus
  • Gesammelte Spenden von TUA, Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf kommen zum Einsatz

Das Rettungsschiff ALAN KURDI hat am Donnerstagvormittag den Hafen von Tarent in Süditalien verlassen und befindet sich nun auf dem Weg in die libysche Such- und Rettungszone.

„Nach dem gewalttätigen Zwischenfall mit libyschen Küstenwächtern beginnen wir nun mit großer Sorge den nächsten Einsatz. Wir betrachten die sogenannte libysche Seepolizei als ernstzunehmende Bedrohung für Menschen auf der Flucht und die Retter an Bord unseres Schiffes. Die Tatsache, dass solche Milizen als Partner der Bundesregierung und der EU bewusst und willentlich Menschenrechte brechen, ist durch nichts zu entschuldigen. Die Rettung von Menschenleben scheint keine Priorität mehr zu sein”, sagt Julian Pahlke, Sprecher von Sea-Eye.

Nach der erstmaligen Ankunft der ALAN KURDI in einem italienischen Hafen kam es unmittelbar zu einer intensiven, tagelangen Hafenstaatskontrolle des Schiffes.

„Durch die schnelle Reaktion der deutschen Behörden und die professionelle Arbeit unserer Crew, konnte die aufwendige Inspektion gemeistert werden. Dabei bestätigten die deutschen Behörden den italienischen Kollegen ausdrücklich, dass der Zustand und die Papiere der ALAN KURDI ausdrücklich in Ordnung sind”, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye.

Die Abfahrt aus dem Hafen von Tarent verzögerte sich weiterhin wegen eines starken Sturmes, der über weite Teile Italiens hinwegzog. Dabei hat das Schiff schwere Schäden in Höhe von rund 30.000 € erlitten, die aufwendig behoben werden mussten.

Für die achte Mission des Sea-Eye-Schiffes ALAN KURDI senden am Donnerstag verschiedene Kirchen ihre bewegenden Segenssprüche an die Regensburger Seenotretter.

„Die Mennoniten sind wichtige Unterstützer der ersten Stunde. Die katholischen Bistümer München-Freising, Paderborn, Hildesheim und Regensburg sind zusammen die größten, kirchlichen Förderer von Sea-Eye. Seit 2018 werden wir auch aus dem Raum der EKD gefördert. Wir sind auf die Unterstützung der Kirchen dringend angewiesen”, sagt Isler weiter.

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Die Kirchen stehen Sea-Eye nicht nur finanziell zur Seite. Zur achten Mission der ALAN KURDI senden Dekan Roman Derl von der Diözese Regensburg für die katholische Kirche, Präses Dr. Michael Diener und Ratspräsident Heinrich Bedford-Strohm für die EKD, sowie Doris Hege als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden, ihren Segen für die Arbeit der Regensburger Seenotretter.

Bei der Finanzierung der anfallenden Kosten helfen unter anderem der Rapper TUA, der sein neues Video „Wenn ich gehen muss” für Sea-Eye veröffentlichte und zu Spenden für die Regensburger Seenotretter aufrief (zur Spendenseite). Aber auch der Treuhandfonds, in dem die gesammelten Spenden von Jan Böhmermann und Klaas-Heufer Umlauf verwaltet und verteilt werden, trägt maßgeblich zum aktuellen Einsatz bei. Insgesamt wurden 60.000 € für den Rettungseinsatz und die nachhaltige Organisationsentwicklung von Sea-Eye e. V. bewilligt und bereitgestellt.

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Der Berliner Rapper Tua spendet ein Musikvideo und sammelt Spenden für die ALAN KURDI

„Es ist ein wichtiges Zeichen, dass die Zivilgesellschaft so zusammensteht und gemeinsam sicherstellt, dass die ALAN KURDI in den nächsten Einsatz aufbrechen kann. Vor allem, dass junge Künstler wie TUA oder Jan Böhmermann dieses wichtige Thema zunehmend aufgreifen und die Kirchen Deutschlands sich immer wieder insistierend für die Seenotrettung einsetzen, lässt uns zuversichtlich bleiben. Wir sind gerade jetzt wieder auf Spenden angewiesen, weil mit diesem schweren Sturmschaden einfach nicht zu rechnen war”, sagt Isler weiter.

Sea-Eye e. V. gratuliert Vereinsgründer Michael Buschheuer zur Verleihung des Georg-Elser-Preis für besondere Zivilcourage

„Die Mutter hat unter Schluchzen nur gefragt: ‚Georg, warum hast Du das getan?‘ und er hat gesagt: ‚Mutter, ich habe den Krieg verhindern wollen.’“

Georg Elser war ein deutscher Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Er versuchte den zweiten Weltkrieg durch ein Attentat auf Adolf Hitler zu verhindern und scheiterte nur knapp. Am 9. April 1945 wurde er dafür im Konzentrationslager Dachau ermordet. Nur wenige Auszeichnungen stehen so sehr für Mut und Zivilcourage, wie der Georg-Elser-Preis.

Deshalb lieber Michael sind wir stolz und gratulieren dir herzlich zu dieser Auszeichnung. Ohne dich hätten wir alle nicht zueinander gefunden. Ohne deinen Mut, hätte es weniger Rettungsschiffe in einer Such- und Rettungszone gegeben, in der Vernunft und Gewissen abwesend und Tod sowie schwerste Verbrechen längst Alltag geworden sind. Ohne dich, deine Courage wären viele Menschen gestorben. Wir gratulieren dir herzlichst, dass du dich in die Reihe namhafter, couragierter Menschen einreihen darfst und folgen eurem couragierten Beispiel, indem wir weiter Menschen vor dem Ertrinken retten.

Kein Hafen für deutsches Rettungsschiff trotz politischer Lösung

Die Situation an Bord des deutschen Rettungsschiffs ALAN KURDI spitzt sich weiter zu. Auf der Innenministerkonferenz verkündete Bundesinnenminister Horst Seehofer bereits am Dienstag, dass es eine politische Lösung für die von der ALAN KURDI geretteten Menschen gäbe. Das Auswärtige Amt und die EU-Kommission bestätigten das gegenüber Sea-Eye. Die Blockade vor Lampedusa hält trotz dieser Aussagen weiter an.

Die italienische Seenotleitstelle Rom teilte der Kapitänin Bärbel Beuse am Dienstag auf Nachfrage mit, dass man keine Informationen dazu habe. Anfragen des Schiffes leite die Rettungsleitstelle an die „zuständigen Behörden“ weiter.

Bei ihrem Einsatz am letzten Samstag wurden unsere Crewmitglieder zusammen mit den Geretteten Opfer eines gewaltsamen, bewaffneten Überfalls. Bei der Nachbesprechung des Einsatzes am Sonntag brachen viele von ihnen in Tränen aus. Niemand von unserer Crew hat damit gerechnet, in libysche Gewehrläufe schauen zu müssen, als sie sich freiwillig für einen Rettungseinsatz meldeten.

Auf den Videos der Helmkameras sieht man, was die Rettungscrew der ALAN KURDI durchlebt hat. Die Gespräche zwischen den Besatzungsmitgliedern zeigen, wie ernst die Lage am Samstag wirklich war. Trotz dieser traumatisierenden Erfahrungen und der besonders gravierenden Umstände dieses Rettungseinsatzes müssen 17 Besatzungsmitglieder und 90 gerettete Menschen weiter auf der ALAN KURDI ausharren.

„Wenn es eine politische Lösung gibt, worauf lässt man uns dann jetzt noch warten?“, fragt Crewmitglied Karsten Jäger, der die Ereignisse vom Samstag als Medienkoordinator dokumentierte.

Die Seeblockade der ALAN KURDI hält nun seit fünf Tagen an. Die Wasser- und Lebensmittelvorräte werden knapp. Der Zustand einiger Geretteter verschlechtert sich zusehends. Viele von ihnen haben Grausames durchlebt. Das Sea-Eye-Schiff fährt unter der Bundesflagge. Italien verletzt wiederholt auch Rechte des Flaggenstaates der ALAN KURDI. Gegenüber Sea-Eye versichern die deutschen Behörden, dass man bei den italienischen Kollegen auf „eine rasche Lösung dränge“. Über die Gründe für die andauernde Blockade, trotzt politischer Regelung der Verteilung der Geretteten, kann man bei Sea-Eye nur spekulieren.

„Möglicherweise möchte man genau wie bei der Sea-Watch 3 und der Eleonore warten, bis die Kapitänin den Notstand erklären und sich Zugang zu einem Hafen verschaffen muss“, vermutet Isler.

Die „Sea-Watch 3“ und die „Eleonore“ sind seither in italienischen Häfen blockiert worden.

„Zwar bleiben Beleidigungen durch italienische Minister seit dem Regierungswechsel aus, für einen wirklichen Kurswechsel gibt es aber keine messbaren Anzeichen“, sagt Isler weiter.

Doch auch aus der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag hört man wenig Konkretes zu dem bewaffneten Überfall auf das einzige, deutsche Rettungsschiff. Die Wahlergebnisse in Thüringen scheinen wichtiger zu seien, als das Leben der ALAN KURDI Crew.

„Das muss man sich mal klarmachen. Da wird bei einem Rettungseinsatz von deutschen Rettungskräften scharf geschossen und in Deutschland redet der Innenminister nun über einen Verhaltenskodex für Seenotretter. Das ist so, als würde man dem Opfer eines Verbrechens Verhaltensänderungen empfehlen wollen, um so den Straftätern keine weiteren Gelegenheiten zu geben, erneut Verbrechen gegen uns zu begehen“, sagt Isler weiter.

Notfall vor Lampedusa und ein vermisstes Familienmitglied

Am Sonntag erreichte die ALAN KURDI die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa. Zuvor hatte die Crew des deutschen Rettungsschiffes am Samstag 91 Menschen von einem Schlauchboot gerettet. Bei der Rettung kam es zu einer schwerwiegenden Bedrohung durch eine libysche Miliz. Es fielen Schüsse. Ein Mann wird nun doch vermisst.

Die italienische Küstenwache evakuierte am Sonntagnachmittag die 22 Jahre alte, schwangere Nigerianerin Faith. Das medizinische Team der ALAN KURDI fürchtete um das Leben des ungeborenen Kindes.

Missionsleiter Jan Ribbeck ist Arzt und betreut den Einsatz von Land. Er sagt: „Solch schwere Blutungen im vierten Monat einer Schwangerschaft sind ein alarmierendes Zeichen.“

Seit Samstagabend bat Ribbeck die italienischen und maltesischen Rettungsleitstellen um eine medizinische Evakuierung.

Die Malteser sicherten zunächst eine Evakuierung für Sonntagmorgen mit dem Helikopter zu. Die Rettungsaktion wurde dann aber verschoben, schließlich aufgrund des Wetters abgesagt und Malta verwies darauf, dass die ALAN KURDI näher an Lampedusa liegt.

„Man muss wissen, dass wir die maltesische Rettungszone durchquerten. Das Wetter war sehr gut. Formal war Malta zuständig die Evakuierung zu organisieren, auch wenn die Person nicht nach Malta evakuiert werden soll“, erklärt Ribbeck weiter.

Malta bestritt seine Zuständigkeit für Notfälle in der maltesischen Rettungszone nicht zum ersten Mal. In einer schriftlichen Auseinandersetzung machte die italienische Rettungsleitstelle der maltesischen Leitstelle schwere Vorwürfe.

„Wir vermuten dahinter die politische Überlegung, dass Malta die Ausschiffung der weiteren 90 Personen an Bord zu verhindern versuchte, weil wir zu diesem Zeitpunkt Richtung Malta fuhren“, sagt Ribbeck.

Die Seenotleitstelle Rom erklärte sich schließlich bereit Faith am Sonntagnachmittag zu evakuieren. Sie wurde von einem italienischen Patrouillenboot abgeholt und nach Lampedusa gebracht. Sea-Eye hat Italien nun offiziell um einen sicheren Hafen gebeten und wartet außerhalb der italienischen Territorialgewässer vor Lampedusa auf eine Ausschiffung für 90 gerettete Personen.

Zunächst berichtete Sea-Eye von insgesamt 90 geretteten Menschen. Tatsächlich zählte die Crew am Samstagabend 91 Personen auf der ALAN KURDI. Ein junger Mann informierte die Crew außerdem darüber, dass er seinen Bruder an Bord nicht finden könne. Er sei mit ihm auf dem Schlauchboot gewesen. Seither gilt eine Person als vermisst, was sich mit den ursprünglichen Informationen zum Notruf von „AlarmPhone“ deckt. Die Hilfsorganisation empfing den Notruf und beschrieb ein weißes Schlauchboot mit 92 Personen in Seenot. Ob die vermisste Person von den Libyern entführt wurde oder ertrank, ist unklar.