Bochum rettet

Auftaktveranstaltung der Kampagne „Bochum Rettet“

Am Dienstag, den 05. April 2022, um 11:30 Uhr eröffnete Carla Scheytt, Sprecherin der Seebrücke Bochum, die Auftaktveranstaltung der Kampagne „Bochum Rettet“ in der Kunstkirche Christkönig am Steinring 28 in Bochum. Die Kampagne geht zurück auf einen Beschluss des Rates der Stadt Bochum aus 2021, mit dem die Stadt eine Patenschaft für das Seenotrettungsschiff SEA-EYE 4 übernimmt. Nun wird die Stadt konkret und lädt die Bochumer*innen ein, sich zu beteiligen.

Um die Einsätze der SEA-EYE 4 finanziell zu unterstützen, startet Bochum mit dem heutigen Tag eine besondere Spendenaktion. Die Stadt ruft alle Bochumer*innen dazu auf, für die Rettungseinsätze zu spenden. Die Stadt wird die so gesammelten Spenden mit bis zu 30.000 € verdoppeln.

Mit dieser Spendenverdopplungsaktion und die Einbeziehung ihrer Bürger*innen hat Bochum die kommunalen Schiffspatenschaften für die SEA-EYE 4 auf eine neue Stufe gehoben. So hilft jeder gespendete Euro der Bochumer*innen doppelt, Menschenleben zu retten“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Die gesammelten Spenden und der Verdopplungsbetrag der Stadt ergeben schließlich den Gesamtbetrag, mit dem die SEA-EYE 4 gefördert wird.

Bochum rettet

Wir danken den Bochumer Kommunalpolitiker*innen, die dafür gestritten haben, dass wir ab heute gemeinsam und vor allem sichtbar für die zivile Seenotrettung arbeiten“, sagt Isler weiter.

Auf der Auftaktveranstaltung präsentierten Carla Scheytt, Sprecherin von Seebrücke Bochum, Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V. und der Bochumer Künstler Sebastian 23 die Kampagne „Bochum Rettet“.

Einzelpersonen, Gruppen, Organisationen aber auch Betriebe können sich im Kampagnenzeitraum mit einer eigenen Aktion oder Veranstaltung einbringen. Wir freuen uns über kreative und öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen und auf tolle Ideen für ‚Bochum Rettet‘“, erläutert Carla Scheytt.

Bochum rettet

Seenotretter*innen kritisieren Ungleichbehandlung von Flüchtlingen

Das deutsche Rettungsschiff SEA-EYE 4 legte am Mittwochmittag (06.04.2022) in Augusta an und alle 106 geretteten Menschen durften an Land gehen. Die SEA-EYE 4 war am Samstag vor Sizilien angekommen, nachdem Malta die Ausschiffung der Geretteten mehrfach abgelehnt hatte, und wartete seitdem auf die Zuweisung eines sicheren Hafens. Für die SEA-EYE 4 war es die erste Mission des Jahres. Die Mission wurde durch sehr schlechte Wetterbedingungen erschwert.

Dr. Harald Kischlat, Vorstand von German Doctors e. V. sagt dazu: „Die Geflüchteten an Bord der SEA-EYE 4 haben viele Tage auf hochseeuntauglichen Booten ausgeharrt. Sie sind unterkühlt, seekrank, traumatisiert. Es ist unverantwortlich und menschenunwürdig, diesen Menschen den Zugang zu einem sicheren Hafen unnötig lang zu verweigern.

German Doctors e. V. verantwortet die medizinische Versorgung der Geflüchteten auf der SEA-EYE 4 und unterstützt Sea-Eye substanziell beim Betrieb des Bordhospitals. Regelmäßig sind auch ein Einsatzarzt oder eine Einsatzärztin an Bord des Rettungsschiffs.

Disembarkation

Wir müssen jetzt schnell eine Änderung der Politik gegenüber allen schutzsuchenden Menschen sehen“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V. „Denn sonst kommt die Politik in ernsthafte Erklärungsnot und der seit Jahren geäußerte Vorwurf – systemischer Rassismus verhindere die Rettung Flüchtender aus Afrika und Asien – wäre einmal mehr bewiesen.

Sea-Eye kritisiert die Ungleichbehandlung von flüchtenden Menschen: Zivile Rettungsschiffe müssen noch immer tagelang auf Ausschiffungshäfen für Schutzsuchende aus Afrika oder Asien warten und müssen sogar wie im Fall der SEA-EYE 4 vor Malta mit Ablehnungen rechnen. Noch immer sind sich die EU-Mitgliedstaaten bei der Verteilung weniger tausender Menschen uneinig. Noch immer verweigern maltesische und italienische Rettungsleitstellen die Koordinierung für Seenotfälle, die sich in der libyschen Such- und Rettungszone ereignet haben und noch immer kooperieren europäische Behörden mit der sogenannten libyschen Küstenwache, um Menschen von der Flucht aus dem Bürgerkrieg in Libyen abzuhalten.

Disembarkation

Alle Menschen haben das Recht, Schutz und Asyl innerhalb der EU zu suchen. Die Hautfarbe, das Geschlecht, die Herkunft, die Religion oder die politische Überzeugung dürfen für europäische Behörden und die Politik kein Grund sein, einen Unterschied zu machen. Die Menschenrechte sind da unmissverständlich“, unterstreicht Isler.

In 2022 verloren bisher 467 Menschen ihr Leben, bei dem Versuch das Mittelmeer zu überqueren, um Schutz und Freiheit in Europa zu finden. Der von den EU-Mitgliedsstaaten unterstütze Weg die Menschen von der sogenannten libyschen Küstenwache abfangen zu lassen und so die Zahl der Ankünfte in Europa zu verringern, gefährdet Menschenleben, statt sie zu retten.

So versagte die sogenannte libysche Küstenwache in der vergangenen Woche erneut und es ertranken bei einem schweren Schiffsunglück vor Libyen 90 Menschen. Nur vier Menschen überlebten und wurden illegal vom Handelsschiff ALEGRIA 1 zurück nach Libyen gebracht, ohne Chance auf ein faires Asylverfahren, stattdessen drohen ihnen Inhaftierung, Folter und der Tod.

Disembarkation

Ein ukrainischer Kapitän des Handelsschiffes KARINA entschied sich nur wenige Tage vorher mit Verweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention und die Situation in Libyen dazu, die SEA-EYE 4 um Unterstützung zu bitten, statt seinen Kurs nach Benghazi fortzusetzen.

Sog. libysche Küstenwache verhindert Flucht aus Bürgerkriegsland Libyen

Am Mittwochmittag, dem 30.03.2022, wurde der SEA-EYE 4 ein Notruf weitergeleitet, den das Alarm Phone an die zuständigen Behörden meldete. Das Rettungsschiff war bereits auf dem Weg nach Malta, weil der Einsatz am Mittwoch planmäßig enden sollte. Doch die SEA-EYE 4 war als einziges Rettungsschiff östlich von Tripolis und kehrte deshalb zurück. Nach mehreren Stunden Anfahrt fand die SEA-EYE 4 das graue Schlauchboot mit 74 Personen, darunter 22 Kinder. Im Bordhospital des Schiffes mussten 15 Personen medizinisch behandelt werden. Die geflüchteten Menschen stammen aus Ägypten, Nigeria, Sudan, Südsudan und Syrien. Mit den Geretteten, die die SEA-EYE 4 am Dienstag von einem Containerschiff übernehmen musste, sind nun insgesamt 106 Geflüchtete an Bord des Schiffes. 

Ein weiterer von Alarm Phone gemeldeter Notruf führte am Mittwoch zu einer Suche nach 90 Menschen, die die ganze Nacht andauerte. Die Suche blieb erfolglos und musste am Donnerstagmorgen abgebrochen werden, weil die Koordinaten eines weiteren in Seenot geratenen Schlauchboots mit 145 Menschen gemeldet wurden. Bevor die SEA-EYE 4 das Boot erreichte, meldete Alarm Phone eine illegale Rückführung durch die sogenannte libysche Küstenwache.

Mit der Erneuerung des IRINI Mandats erklärte die Bundesregierung, dass man die libysche Küstenwache nicht mehr unterstützen und ausbilden könne, doch hier in der libyschen Rettungszone werden wir weiter Augenzeugin völkerrechtswidriger Rückführungen“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

Rettungseinsatz

Über den Verbleib von 90 Menschen fehlt jede Information, auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Rückführung auch in diesem Fall sehr hoch ist.

Ein Schiffsunglück, über das niemals wieder jemand spricht, weil es für uns in Europa offenbar Alltag ist, dass Schwarze, flüchtende Menschen so ein Schicksal erleiden, ist leider ebenfalls möglich“, sagt Isler weiter.

Die SEA-EYE 4 muss nun einen sicheren Ort für die Ausschiffung von 106 Menschen aus sechs unterschiedlichen Herkunftsländern finden.

Rettungseinsatz

Wären die Menschen nicht gerettet worden, wäre es sehr unwahrscheinlich gewesen, dass sie überlebt hätten, denn das Wetter schlug in den letzten Tagen immer wieder plötzlich um“, so Isler.

So wurden am Dienstag 32 Menschen bei 4 m Wellengang aus einem kleinen Fischerboot vom Containerschiff KARINA gerettet. Hagen Kopp von Alarm Phone nannte den Fluchtversuch vom Dienstag „hochgradig verzweifelt“, da für die Menschen auf dieser Route ohne Rettung durch ein Containerschiff „kaum eine Überlebenschance“ bestanden habe.Die SEA-EYE 4 wird am Freitag die maltesischen Gewässer erreichen, einen Tag vor dem Besuch des Papstes. Geplant sei auch ein Treffen mit Migrant*innen in einem katholischen Aufnahmezentrum.

Vielleicht kann ein unmissverständlicher Appell des Papstes an die maltesische Regierung bewirken, dass Malta sich als nächstgelegener EU-Staat für 106 schutzsuchende Menschen verantwortlich fühlt“, sagt Isler.

Rettungseinsatz

Norddeutscher Reeder der KARINA ruft SEA-EYE 4 vor Libyen zur Hilfe

Am Montagnachmittag, dem 28.03.2022, rettete die Crew des Handelsschiffes KARINA unter der Schiffsführung des ukrainischen Kapitäns Vasyl Maksymenko 32 flüchtende Menschen in den internationalen Gewässern vor Libyen vor dem Ertrinken. Das Handelsschiff der norddeutschen KLINGENBERG Bereederungs- & Befrachtungs GmbH & Co. KG aus Ellerbek war auf dem Weg von Malta nach Benghazi, als es von der Hilfsorganisation Alarm Phone auf den Seenotfall aufmerksam gemacht worden war.

Das Boot drohte zu kentern. Die Menschen hätten das nicht überlebt. Der Wellengang erreichte inzwischen vier Meter. Aus eigener Kraft hätten sie nirgends mehr ankommen können“, sagt Vasyl Maksymenko, Kapitän der KARINA.

Die SEA-EYE 4 war zu diesem Zeitpunkt rund 50 Stunden von dem Notfall entfernt und konnte keine Soforthilfe leisten. Das Rettungsschiff und die Einsatzleitung der Seenotretter*innen waren jedoch zusammen mit zahlreichen staatlichen und anderen nichtstaatlichen Akteuren in die Korrespondenz zu dem Seenotfall eingebunden.

Handelsschiff KARINA

Aufgrund des dramatischen Schriftwechsels kontaktierte die SEA-EYE 4 das Handelsschiff KARINA und bot Unterstützung an. Gleichzeitig kontaktierte die Einsatzleitung der SEA-EYE 4 die Reederei der KARINA, um Hilfsbereitschaft zu signalisieren.

Reeder Thies Klingenberg war sich der schwierigen Situation sofort bewusst.

Es ist nicht das erste Mal, dass wir Menschen aus dem Mittelmeer retten. Unsere Schiffe sind jedoch nicht für die Verpflegung und die medizinische Behandlung von Schiffbrüchigen geeignet“, sagt Klingenberg.

Am Montagnachmittag baten die Reederei und Kapitän Maksymenko die SEA-EYE 4 um Hilfe.

Handelsschiff KARINA

Der Flaggenstaat von KARINA, Antigua und Barbuda, hat die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet“, schrieb Kapitän Maksymenko an die SEA-EYE 4. Man müsse die Menschen an einen sicheren Ort bringen. „Ein sicherer Ort ist ein Ort, an dem das Leben der Überlebenden nicht bedroht ist und an dem ihre grundlegenden menschlichen Bedarfe abgedeckt werden können. Dabei ist der Schutz ihrer Grundrechte zu berücksichtigen: Für Flüchtende bedeutet das, dass sie nicht in ein Kriegsgebiet zurückgewiesen werden dürfen. Dies verbietet, flüchtende Menschen nach Libyen zurückzubringen!“, fährt Maksymenko fort.

Die KARINA und die SEA-EYE 4 vereinbarten einen Treffpunkt und begegneten sich am Dienstagmittag, rund 55 nautische Meilen von der libyschen Küste entfernt. Ein Ärzteteam und der Einsatzleiter der SEA-EYE 4 betraten die KARINA, um die Situation einzuschätzen. Die flüchtenden Menschen harrten nach eigenen Angaben mindestens drei Tage auf ihrem Holzboot aus. Deshalb werden derzeit einige der geretteten Menschen wegen Unterkühlung und Dehydrierung im Bordhospital behandelt. Die Kapitäne beider Schiffe bewerteten die Situation so, dass die SEA-EYE 4 das geeignetere und sicherere Schiff für die 32 Überlebenden ist. Daraufhin willigte die Sea-Eye-Einsatzleitung ein, die geretteten Menschen zu übernehmen.

Handelsschiff KARINA & SEA-EYE 4

Wir haben genügend Proviant, Unterkünfte und ein Bordhospital, sodass wir eine solche Anzahl von Menschen für eine kurze Zeit sicher an Bord nehmen können“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.

So verfügt die SEA-EYE 4 über eine sogenannte Rescue Notation von ihrer Klassifizierungsgesellschaft und die italienische Küstenwache bestätigte der SEA-EYE 4 nach technischen Anpassungen im Sommer 2021 die Eignung, kurzzeitig bis zu 200 Menschen versorgen zu können, wenn anschließend ein sicherer Hafen zur Ausschiffung Überlebender angesteuert wird.

Handelsschiff KARINA

Die SEA-EYE 4 wird in den nächsten Stunden Malta ansteuern.

Malta ist der nächstgelegene EU-Mitgliedsstaat. Wir werden dort um einen Ausschiffungshafen bitten“, so Isler.

Allerdings hat Malta seine Häfen für die Ausschiffung von aus Seenot geretteten Menschen seit einigen Jahren geschlossen. Zuletzt durften Sea-Eye-Schiffe im Sommer 2019 gerettete Menschen auf Malta in Sicherheit bringen. Seither wurde die maltesische Politik gegenüber flüchtenden Menschen immer abwehrender.

Geflüchtete auf der SEA-EYE 4

Wir werden nun sehen, ob Malta die Genfer Flüchtlingskonvention genauso wichtig ist wie dem ukrainischen Kapitän Maksymenko, der eine völkerrechtswidrige Zurückweisung in ein Kriegsgebiet verhinderte“, sagt Isler weiter.